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und gerade vom Standpunkte des monarchischen Gedankens ist solche
rechtliche Wertlosigkeit eines Fürstenwortes für das staatsrechtliche Emp-
finden befremdend. Sollte in solcher landesherrlichen Erklärung nicht eine
Verwaltungs- oder Aufsichts- (vielleicht auch Ausführungs-)Verordnung im
Sinne des Art. 73, für die ja die Verfassung eine besondere Form nicht
vorschreibt, gesehen werden können oder müssen? Dann läge, selbstver-
ständlich immer nur für die einzelne Finanzperiode und unbeschadet des
verfassungsrechtlichen Prinzips des Art. 67, eine rechtliche Bindung für die
Regierung vor.
Das wissenschaftliche Interesse an den bisher besprochenen Fragen be-
rabt darauf, daß sie Beispiele geben für die Bedeutung der geschichtlichen
Zusammenhänge und Entwicklungselemente in dem Staatsrechte, wie es in
den Gesetzen niedergelegt ist. Für das Staatsrecht, wie es sich in der
Gesetzesanwendung aus den von der Wissenschaft herausgearbeiteten recht-
lichen Grundgedanken ergibt, zeigt eine Gruppe anderer Fragen des hessi-
schen Rechts die entscheidende Bedeutung der Entwicklung jener Grund-
gedanken. Es sind dies die Fragen des Fürstenrechte, in denen VAN CALKER
sich in einen, stets durch den gleichen prinzipiellen Gegensatz der Auffas-
sung bedingten Widerspruch zu den Anschauungen des früheren Bearbeiters
der Materie, Cosacog, setzt. Dieser prinzipielle Gegensatz ist der zwischen
zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Auffassung von der Stellung des
Herrschere und des Herrscherhauses im Staate. Er ist zunächst entschei-
dend für das bedeutsame Problem der Wirksamkeit der vor Jabrhunderten
abgeschlossenen Erbverbrüderungen des hessischen Herrscherhauses. Eine
nähere Erörterung dieses Problems hat van CALKER unterlassen, gemäß
seinem oben angedeuteten Grundsatze, theoretisch besonders anreizenden
Fragen doch nie einen durch ihre Bedeutung innerhalb des Gesamtstoffes
nicht gerechtfertigten Raum in seiner Darstellung zu geben. Deshalb muß
sich auch der Referent mit der Feststellung begnügen. daß Verf. sich mit
Entschiedenheit gegenüber Cosack auf den ohne weiteres in dem modernen
Staatsgedanken gegebenen Standpunkt stellt, daß die Wirkungen der Erb-
verbrüderung jedenfalls nicht zu einer das Verfassungsrecht des Großherzog-
tums und des Deutschen Reichs durchbrechenden Teilung des hessischen
Staatsgebiets führen dürfe. Auf dieser schärferen Trennung zwischen Öffent-
lichem und Privatrecht beruht noch eine Reihe anderer Auseinandersetzun-
gen des Verf. mit Cosack, die insofern ein Spiegelbild der systematischen
Fortbildung der Wissenschaft vom Staate und seinem Recht geben. Wenn
Cosack der Ansicht war, daß das großherzogliche Haus, falls es den hessi-
schen Thron verlieren sollte, einen Anspruch auf Herausgabe der sog. Do-
mänen des großherzoglichen Hauses habe, auch gegenüber feindlicher Ok-
kupation des Landes; wenn er deshalb annahm, daß 1866 bei Abtretung
der hessischen Hinterlande an Preußen der Großherzog das Eigentum der
dort belegenen Domänen als ein Privatrecht der großherzoglichen Familie