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der Sammlung enthalten sind und der Student nicht die Empfindung hat.
von der Fülle der beigebrachten cases erdrückt zu werden, und auch ohne
sie erst suchen zu müssen, mühelos gerade die bedeutendsten kennen lernt.
— vor COBBETT, daß die Worte des Richters selbst wiedergegeben
werden. Das hat, wie OPPENHEIM in seinem Vorwort zu BENTwICHs Buch
(S. VIII) sehr richtig bemerkt, die Bedeutung, daß der Rechtsjünger er-
kennt! daß das Völkerrecht kein Buchrecht ist, das nur in den Werken
der Völkerrechtslehrer ein unfruchtbares Dasein fristet, sondern ein leben-
des Recht, das von den englischen Richtern tagtüglich genau so gut ange-
wendet wird, „as they apply rules of municipal law“?. Das aber muß bei
dem Rechtsstudium, wie es in England geübt wird, ich meine, bei dem
(fast ausschließlichen) Studium an der Hand von Präjudizien noch von ganz
besonderer Bedeutung sein.
Ich habe bisher das Werk nur von dem Standpunkt seines Wertes für
englische Studenten betrachtet. Was den 'kontinentalen Leser an-
langt, so möchte ich, wie für die mir unentbehrlich gewordenen Werke
ScoTTs und COBBETTs, so auch für dasjenige von BENTwIcH den Wunsch
aussprechen, daß es in der Bibliothek keines Völkerrechtsgelehrten
fehlen möge *. Denn es genügt, gerade heute, wo so gern — wenn auch
zu Unrecht — die Existenz eines selbständigen „anglo-amerikanischen
Völkerrechts“ behauptet wird®, nicht mehr die Beschäftigung der konti-
nentalen Theorie und Praxis. Sind zur Erkenntnis der anglo-amerikanischen
SCOTT und COBBETT unentbehrlich, so bietet auch dem Kenner dieser bei-
den Bücher BENTwIoH manches neue. Für den kontinentalen Studen-
ten im Hinblick auf den gänzlich verschieden geordneten Rechtsunter-
richt, gerade im Gegensatz zu COBBETTs Buch, nur dann von Wert, wenn
dem Rechtsjünger (wie es ja nur sehr selten der Fall sein wird!) konti-
3 Das „as* ist insofern nicht ganz zutreflend, als das Völkerrecht vom
Richter ja nicht qua Völkerrecht, sondern qua Landesrecht zur Anwen-
dung gebracht wird. Auch soweit „International Law the law of the
land* ist, geschieht dies nur durch das Medium einer landesrechtlichen
Norm, die die Umsetzung von Völkerrecht in Landesrecht zu einem un-
sichtbaren Vorgang macht — etwa wie bei einem Handkauf die Zerspal-
tung der in ihm enthaltenen beiden Verträge (des obligatorischen und des
dinglichen) nur nicht in die Erscheinung tritt.
+ Es sei nicht unerwähnt, daß BENTWICH auch einige wichtige, sonst
schwer zu erlangende „statutes* (vgl. den Titel seines Buches!) zum Ab-
druck bringt, nämlich die bekannten „Territorial Waters Jurisdiction Act
von 1878*, einen Act von 1709 über die Gesandtenimmunität, und die wich-
tige „Foreign Enlistment Act“ von 1871.
5 Vgl. dazu die Vorrede zu Srrupp, „Völkerrechtliche Fälle“, Heft II.
Gotha 1914.