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schiedsgerichtlich auszutragen, so daß die Unterstellung des besonderen
Falles unter das Schiedsgericht nur die Ausführung jener früher einge-
gangenen Verpflichtung ist”. Hätte man 1907 bereits diese Unterschei-
dung gekannt, so wäre vielleicht der terminologische Wirrwarr vermindert
worden, der damals durch die verschiedentliche Verwendung des Wortes:
„Kompromiß* entstanden ist, und dessen Nachwehen noch in der neueren
schiedsgerichtlichen Literatur zu verspüren sind. Und — das hebt 1.. (S. sı
besonders hervor — es wäre vielleicht auf der 2. Konferenz das Wider-
streben so mancher kleinerer Staaten gegen das Obligatorium überwunden
worden, hätte man ihnen, hätten sie sich klar gemacht, daß (im Gegensatz
zu dem bloß empfohlenen Schiedsgericht, bei dem leicht der mäch-
tigere Staat dem schwächeren ein Kompromiß oktroyieren wird) bei dem
institutionellen mit der von Inkrafttreten des Vertrags an bestehenden
rechtlichen Bindung beider eine völlige Gleichheit der Vertragsgenossen
besteht.
Eine wichtige weitere Unterscheidung zwischen institutionellen und
isolierten Schiedsgerichten ergibt sich bei der Frage. welche Staatendiffe-
renzen sich zu schiedsgerichtlicher Austragung eignen. Wenn L. hier
meint (S. 61), der „isolierten“ Schiedsgerichtsbarkeit könne eine allge
meine begriffliche Schranke überhaupt nicht gezogen werden, so möchte
ich dasselbe für jede, also auch für die institutionelle Schiedsgerichts-
barkeit, behaupten. Es ist zweifellos, daß wir faktisch viel häufiger Ange
legenheiten in einem eigentlichen Kompromiß (also beim isolierten
Schiedsgericht) als arbitral angesehen finden. So werden z. B. zuweilen
dort Fragen schiedsgerichtlicher Regelung unterworfen, bei denen die Ehre
oder bestimmte Interessen eines Staates auf dem Spiel stehen, d. h. Strei-
tigkeiten, zu deren Aufnahme in einen institutionellen Vertrag der
Staat vielleicht nimmermehr seine Zustimmung gegeben haben würde. %
weigert sich bekanntlich das Deutsche Reich — und, bei dem gegenwärti-
gen Stand der internationalen Ordnung muß man sagen, mit vollstem
Recht — Verträge ohne die Ehrenklausel abzuschließen, und doch hat e:
den Casablanca-Fall, bei dem eine Berufung auf die Ehre recht wohl mög-
lich gewesen wäre, in dankenswerter Weise einem Schiedsgericht im Haag
überwiesen. Und umgekehrt bestehen ja institutionelle Schiedsgerichtsver-
träge, die keine einschränkende Klausel enthalten®.
” Im Einzelfall wird die Ermittlung, ob ein isoliertes oder institutio-
nelles Schiedsgericht berufen ist, zuweilen auf Schwierigkeiten stoßen.
Vgl. dazu meine Abhandlung: „Frankreichs Schiedsgerichtsverträgr
mit der Türkei. Venezuela und Peru* in der Zeitschrift für Völkerrecht.
Bd. VIII S. 366 #.
° So, um nur die bekanntesten zu nennen, die Verträge Argentinien-
Chile (1902), Italien-Dänemark (1905). der Vertrag der zentralamerikani-
schen Republiken (1907).