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eines Gesetzes über das Verfahren gegen Jugendliche der Vermengung der
Begriffe Strafe und Erziehung und einer Reihe kleinerer Schönbeitsfehler
des Entwurfes entgegen. ScHuLz-Freiburg referiert über den Stand der
Lehre von der Rechtskraft des Zivilurteilse in Literatur und Judikatur.
Wenn die Zeitschrift sich stets auf gleicher Höhe bewegt, wie im
ersten Heft, wird sie nicht nur eine Vermehrung, sondern auch eine not-
wendige Ergänzung der bestehenden Fachblätter bilden.
Bamberg. Ferdinand Staufter.
Chatterton Hill, Individuum und Staat. Untersuchungen über die
Grundlagen der Kultur. Tübingen. J. C. B. Mohr. 1913.
Der Titel ist so verlockend, daß man mit größtem Interesse zu diesen
Buche greift. Hofft man doch aus ihm Klarheit über einen der tiefgreifend-
sten Konflikte des sozialen Lebens zu gewinnen.
Die Eingangskapitel sind auch ganz darnach angetan, das Interesse
noch lebhafter zu gestalten, denn der Verfasser verspricht, das Wesen der
vielumstrittenen Begriffe der Kultur und des Fortschrittes klarzulegen und
die Mittel für die Lösung der Frage an die Hand zu geben, ob Kultur und
Fortschritt im Steigen begriffen seien oder nicht. Man stimmt auch voll-
kommen mit ihm überein, wenn er darlegt, daß der Stand der militärischen
Organisation, der Tecknik, der Wissenschaften nur Indizien eines Kultur-
zustandes zu nennen seien, aber keineswegs einen sicheren Rückschluß auf
diesen selbst gestatten.
Man lauscht daher umso gespannter auf das, was nun kommen soll
— um großenteils Wahrheiten zu hören, die jeder Geschichtsfreund kennt
— auch obne Soziologe zu sein: daß die Ausdehnung des sozialen Aggre-
gates, die wachsende Differenzierung seiner Funktionen ein Beweis für die
Gesundung des Aggregates, für die Entwicklung des sozialen Lebens in
ihm liefere, daß die Gesellschaft ein Organismus sei, der neben seinen be-
sonderen auch biologischen Gesetzen unterliege, daß die Tradition im Leben
des Aggregates von besonderem Werte sei und dgl. Diese und ähnliche
bekannte Dinge werden aus dem Milieu, nus dem sie dem Historiker und
Politiker bekannt sind, herausgehoben und in recht schwerfälliger philoso-
phierender Form zu abstrakt gültigen Sätzen geprägt.
Schon solchem Beginnen kann indessen ein gewisses Verdienst nicht
abgesprochen werden, weil es nicht immer leicht ist, aus der Fülle der
Tatsachen das Allgemeine herauszuschälen. Daneben findet sich jedoch
auch mancher tüchtige Gedanke, vor allem einer, der als Grundton an-
klingt, daß nämlich die notwendige Grundlage jeder Kultur der Ausgleich
zwischen den widerstreitenden Interessen der Gesellschaft und des aus
ihren beengenden Fesseln hinsusdrängenden Individuums sei, oder wie der
Verfasser sicb ausdrückt, das Equilibrium zwischen Rationalismus und In-