tegration. Zwar oszillieren — nach CHATTERTON HıznL — diese beiden
Kräfte stets, doch sei nur auf diese Weise ein Fortschritt möglich. Auch
im Aufsuchen der Wege, die jede dieser Kräfte geht, hat der Verfasser
dankenswerte Arbeit geleistet. Die stärksten Kräfte des Kollektivismus
seien die Religion mit ihrer Kerntendenz, zur Pflicht zu erziehen und
besonders in neuerer Zeit der Patriotismus und das Nationalgefühl, denen
als Kampfmittel des Irrationalismus insbesondere der Reichtum und der
Sozialismus gegenüberstünden. Der Hinweis darauf. daß der Sozialismus
eine Schöpfung der „desintegrierenden Kraft“ ist und trotz seines Na-
mens Zwecke des einzelnen Individuums verfolgt, kann wohl zu den besten
Gedanken des Buches gerechnet werden. Doch ist damit keineswegs die
Aufzählung seiner guten Seiten erschöpft. Schade, daß die stete Wieder-
holung eines und desselben Gedankens, eines und desselben Begriffes durch
deutsche und fremdsprachige Synonyme, die Vorliebe für Fremdwörter
überhaupt den guten Kern oft in bittere Schale hüllen. Doch wird der
Umstand, daß der Verfasser kein Deutscher ist, manches entschuldigen,
wiewohl gerade Engländer sonst in der Kunst, schwierige Themate leicht-
faßlich darzustellen, rühmlichst bekannt sind. Dr. Tbeyer.
Dr. Karl Kumpmann, Die Reichsarbeitslosenversicherung.
Zugleich ein Beitrag zur Arbeitslosenfrage überhaupt. Tübingen,
J. C. B. Mohr. 1913.
Wie der Verfasser in seinem Vorwort betont, will das Buch nur einen
knappen, systematischen Ueberblick über die Arbeitslosenversicherungs-
frage in ihrem gegenwärtigen Stand geben. Es ist daher erklärlich, daß
es wesentlich Neues nicht bringt und daß eine Festlegung auf bestimmte
Prinzipien im allgemeinen vermieden wird. Jedoch erwartet sich der Ver-
fasser mit fast der gesamten Literatur alles Heil nur zunächst von einer
befriedigenden Entwicklung des öffentlichen Arbeitsnachweises, dessen all-
mähliche, friedliche Monopolisierung er im Grunde anstrebt. Als Muster
für diese schwebt ihm die zentralistische englische Arbeitsnachweisorgani-
sation vor Augen, die bekanntlich auch die Grundlage für die dortige staat-
liche Arbeitslosenversicherung bildet.
Um diesen Hauptgedanken — öffentliche Arbeitsnachweisorganisation
als Grundlage der Reichsarbeitslosenversicherung — ranken sich zahlreiche
Details. Interessant ist insbesondere davon zu erfahren, daß der Verfasser
die rein kommunale Versicherung gleich in welcber Form ablehnt und die
gewerkschaftliche Versicherung anerkennenswert nennt, ibr aber mit Recht
den erwarteten Erfolg abspricht.
Da die Verhältnisse für eine Reichsarbeitslosenversicherung nach seiner
Ansicht noch nicht reif sind, schlägt er in weitem Umfang Selbsthilfe als
Zwischenlösung vor: für diejenigen, die nicht an eine Gewerkschaftsver-