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handlung gemacht wurde, hat die Einigung über das Besetzungs-
recht in hohem Grade erschwert '".
II. Nachdem feststeht, daß das Besetzungsrecht ein wirk-
liches Recht ist, handelt es sich für die Wissenschaft darum,
diesem Recht seine begriffliche Bestimmtheit zu
geben.
1. Man muß Besetzung (Okkupation) undEin-
fall (Invasion) unterscheiden: Im Besetzungsgebiet
wird normalerweise nicht mehr gekämpft, während das Invasions-
gebiet das eigentliche Operations-, aber noch kein Herrschaftsge-
biet bildet. Der Kommissionsbericht der ersten Haager Friedens-
konferenz erklärte indes nach Maßgabe der Verhandlungen, daß die
für den Besetzenden aufgestellten Rechtsverbote a fortiori auch für
den „Envahisseur“ gelten (I. 63).
Es wird jedoch in jedem einzelnen Fall zu prüfen sein, ob
es sich wirklich nur um Beschränkungen handelt, welche sich
bereits an die Adresse der Kriegsführenden richten können und
sollen oder nicht vielmehr um Rechte und Pflichten einer Herr-
schaft, die eine wirkliche Besetzung mit Verwaltungsaufgaben
und Rechtspflege voraussetzt. Die Prüfung hat demnach von Fall
zu Fall zu erfolgen, die Reden der Mitglieder und der Kommis-
sionsbericht schaffen kein Recht !'.
2. Die kriegerische Besetzung muß wie die friedensrechtliche
effektiv sein. Und da erklärte der schweizerische Bevollmächtigte
HAMMER auf der Brüsseler Konferenz: „Pour que l’autorite soit
effective, il faut qu’elle s’exerce“. Dem noch im Geiste der Na-
poleonischen Kriegsführung gestellten Verlangen der deutschen
10 So auch ALBERT ZoBn a. a. O. S. 207. TsADEn, Die kriegerische
Besetzung feindlichen Staatsgebiets in ihrer Wirkung auf Land und Leute
nach den Bestimmungen der Haager Friedenskonferenzen von 1899 u. 1907,
Göttingen 1910, S. 8, SıicHEL, Die kriegerische Besetzung feindlichen Staats-
gebiets S. 14.
1! Auch A. ZoRN, a. a. O., S. 207* ist gegen eine Uebertragung des
Besetzungsrechts auf die Invasion „ohne weiteres“.