Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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Streit nach der Rechtsnatur der Besetzung. Es 
besteht heute Uebereinstimmung darin, daß die Besetzung keine 
Eroberung, die occupatio bellica keine occupatio imperii ist. Sie 
ist aber auch keine Okkupation im Sinn des Privatrechts ebenso- 
wenig wie eine Okkupation im Sinne des völker- und zwar friedens- 
rechtlichen Gebietserwerbes ®®, sondern eine eigenartige Er- 
scheinung des Kriegsrechts, das den Rechtsinhalt selbständig be- 
stimmt. 
Das Weitere gehört in die Lehre vom Zweck der kriegerischen 
Besetzung. Nur sei hier schon bemerkt, daß die Besetzung nichts 
an der Staatszugehörigkeit ändert ®*. Die Staatsgrenze bleibt die 
”# In beiden Fällen ist die Okkupation ein wirklicher und zwar 
originärer Erwerbstitel, im ersten Fall für das Eigentum, im zweiten für 
die Gebietshoheit. Eine Besonderheit ist es, wenn die Okkupation des 
Völkerrecht» erfolgt zum Zweck der friedlichen Durchdringung und einer bes- 
seren Verwaltung (Bosnien und Herzegowina 1878) oder zur Durchführung 
einer späteren Kriegshilfe (Cypern 1878: hier handelte es sich darum, 
England einen Stützpunkt zu geben, damit es die Türkei im Kampf gegen 
Rußland wirksam unterstützen könne. Das Blatt hat sich aber mittler- 
weile gewendet) oder zur Garantie für Vertragserfüllung (Frankreich nach 
dem Friedensschluß 1871). Alle diese Fälle haben einen wesentlich an- 
deren Charakter als die kriegerische Besetzung. Sie verfolgen ganz be- 
sondere Zwecke und haben einen vertraglichen Rechtstitel, während die 
englische Okkupation von Aegypten 1882 im Unterschied auch zu dem 
durch Vertrag v. 19. Januar 1899 (FLEISCHMANN, Völkerrechtsquellen 
S. 289) geregelten englisch-ägyptischen Kondominium im Sudan (vgl. 
darüber indes GrÜNnAU, Die staats- und völkerrechtliche Stellung Aegyp- 
tens S. 308—312) eine rein tatsächliche Vormachtstellung begründete, 
die überhaupt des Völkerrechtscharakters entbehrt. Der übrigens infolge 
des englisch-französischen Abkommens v. 8. April 1904 II. Art. 6 (FLEISCH- 
MANN S. 347) nicht mehr bestehende englische Vorbehalt zum Suezkanal- 
Vertrag v. 1888 (FLEISCHMANN, S. 220°) konnte natürlich den Rechts- 
titel nicht ersetzen. 
? So auch das „Manuel“ des Institut de droit international (Oxford 
1880) Art. 47 Abs. 2. Das ist wichtig für die auf dem Besetzungsgebiet ge- 
borenen Kinder. Ebenso macht das Besetzungsgebiet die Aenderungen im 
Souveränitätsrecht mit. Wird z. B. eine Monarchie während des Kriegs 
Republik, so gehört das Besetzungsgebiet jetzt einem republikanischen
	        
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