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alte; der Sieger wird nicht Landesherr und der Einwohner nicht
Untertan.
Im Hinblick darauf, daß das Besetzungsgebiet nicht seine
alte Staatszugehörigkeit verliert, erkannte der deutsche Bundes-
kanzler 1871 auch das Recht der Elsaß-Lothringer an, in der
Nationalversammlung von Bordeaux vertreten zu sein. Er gewähr-
leistete ihnen durch Erlaß vom 2. Febr. die freie Ausübung ihres
Wahlrechts und beauftragte die Maires mit dem Vollzug. Die
deutsche Regierung bekundete hier ein großes Entgegenkommen,
denn die Anordnungsgewalt der französischen Regierung hatte
für das Besetzungsgebiet ihr natürliches Ende gefunden, und die
Beamten wie Untertanen daselbst durften ohne Zustimmung des
neuen Herrschers von dorther keinerlei Befehle mehr annehmen °°,
Die suspendierte Staategewalt hört nämlich auf, im Besetzungs-
gebiet und für das Besetzungsgebiet aus eigener Machtvollkommen-
heit noch rechtliche Anordnungen treffen zu dürfen.
5. Die Besetzung ist reine Territorialherrschaft.
Ueber die Grenze des Besetzungsgebiets hinaus hat sie daher
keine Wirkung. Angehörige des Besetzungsgebietes, die sich
außerhalb des letzteren aufhalten, unterliegen also nicht der Be-
setzungsherrschaft. Umgekehrt unterstehen aber im Besetzungs-
gebiet auch die dortigen Neutralen der Herrschaft des Be-
setzenden.
8 2.
Der Zweck der kriegerischen Besetzung.
Die Stellung des neuen Herrschers leitet sich nicht vom
alten Souverän ab; sie bedeutet überhaupt keine staatsrechtliche
Staatswesen an, was auf die Urteilsformel von dem Augenblick an seine
Wirkung äußert, wo der besetzende Staat die neue Verfassungsform aner-
kannt hat. Die Konsuln neutraler Staaten im Besetzungsgebiet bedürfen
keines neuen Exequaturs des Besetzenden, die Beamten keiner Amtsbe-
stätigung.
% So auch die amerikanischen Kriegsartikel (Art. 6),