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Art. 55 dieNutznießung am unbeweglichen Staatsgut und die Art. 49,
52 Kontributionen und Requisitionen für die Bedürfnisse des Heeres
erlauben, so erhellt daraus, daß auch die Besetzung für den
Sieger nur eines von den vielen Mitteln ist, dem Gegner seinen
Willen aufzunötigen%. Durch die Besetzung macht sich das Heer
insbesondere die materiellen Hilfskräfte des feindlichen Landes
nutzbar, und es findet eine Sicherung und einen Stützpunkt für
die militärischen Operationen.
Die Besetzung ist zwar noch keine Annexion und berechtigt
bei räumlicher Beschränkung auch noch nicht zur Annexion; aber
die Herrschaft dient dem Kampf gegen den Souverän des besetz-
ten Gebiets. Die Behandlung im Okkupationsgebiet braucht des-
halb auch nicht überall die gleiche zu sein, sondern wird sich,
wie das der Krieg von 1870 und der jetzige Weltkrieg bestätigt
hat, nach dem Kriegszweck verschieden gestalten.
vV. ULLMANN bemerkt mit Recht: „In der Stellung des okku-
pierenden Kriegsteils tritt das mit dem Kriegszweck verknüpfte
Interesse in den Vordergrund, so daß ibm manche Rechte zu-
kommen, welche nicht bloße Konsequenzen der Innehabung
der Hoheit über das Gebiet bilden* ®°. Das eigene militärische
Interesse bleibt der Richtung gebende Faktor bei der kriegeri-
schen Besetzung. Denn, wie v. MARTENS auf der ersten Haager
Friedenskonferenz mit Recht betont: „Im Krieg gibt es nur eine
raison, und das ist die raison de la guerre.“
I. Es ist eine Kulturerrungenschaft, daß das moderne Völker-
recht daneben aber auch die Interessen der Bevölke-
rung wahrt. Denn der Krieg ist nach heutigem Völkerrecht
s* Hiergegen verstieß das Dekret der Buren v. 18, Nov. 1899. Die auf
Grund dieses Dekrets angeordnete Einberufung zum Krieg gegen England
wurde von MıLneR mit Recht für nichtig erklärt. Aber auch die Annexions-
erklärung von England bezüglich des Oranjefreistastes sowie von Italien
bezüglich Tripolitaniens und der Cyrenaika während des Krieges war ver-
früht. (STRUPP, Das internationale Landkriegsrecht, S. 96).
s5 Völkerrecht, 2. A., S. 495. Aehnlich Liszt, Völkerrecht, 9. A., S. 813.