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Völkerrecht geforderter Gehorsam, für den deshalb das wieder
zurückgekehrte heimatliche Heer oder der gesetzliche Herrscher
später niemand zur Verantwortung ziehen darf.
Zweiter Teil.
Die Ausübung der Staatsgewalt.
S 8.
Die Gesetzgebung.
Die Streitfrage, ob die Staatsgewalt in ihrem vollen U m-
fang oder von vornherein nur ein durch den Kriegszweck be-
schränkter Teil derselben dem Besetzenden zur Ausübung über-
lassen wird, ist durch den Art. 43 dahin entschieden, daß „die
gesetzmäßige Gewalt“ ohne Einschränkung in die Hände
des Besetzenden übergeht. Aber ebenso sicher ist, daß er sie
nur mit den inhaltlichen Beschränkungen ausüben darf,
welche die Landkriegsordnung vorsieht. Die Streitfrage hatte
ihre besondere Bedeutung für die Gesetzgebungsgewalt.
I.. Kein Verwaltungsgebiet ist grundsätzlich der
Gesetzgebungsgewalt des Besetzenden entzogen.
Der Art. 43 der Landkriegsordnung, welcher die Gesetzgebungs-
gewalt des Siegers nur insoweit erwähnt, als er ihr Schranken setzt,
nennt in diesem Zusammenhang allerdings nur die Gesetzgebung
zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und des öffent-
lichen Lebens. Das kann aber schon aus dem Grund keine Ein-
engung der gesetzgeberischen Zuständigkeit sein, weil die ganze
Bestimmung nur als Ausfluß des umfassenderen Grundsatzes er-
scheint, daß die gesamte gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die
Hände des Besetzenden übergegangen ist.
Die Auffassung °, daß die Gesetzgebung als Akt der Sou-
veränität dem Besetzenden entzogen sei und der letztere nur
8% BERNIER, De l’occupation militaire 1881, S. 93 ff.