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Anregung —, beantwortete die französische Regierung in Tours
mit einem Erlaß, der allgemein verbot. ohne die Formel „im
Namen der Republik“ Recht zu sprechen, sowie auch sich mit
Sachen zu beschäftigen, bei deren Vorbereitung deutsche Polizei-
kommissäre mitgewirkt hätten. Dieser Erlaß hatte die bedauer-
liche Wirkung, daß die meisten Gerichte ihre Tätigkeit einstellten.
Die von manchen Gerichten gegebene Begründung, die Recht-
sprechung unter einer feindlichen Verwaltung führe zu Konflikten
und sei nicht frei, traf für die damaligen Besetzungsverhältnisse
in keiner Weise zu. Zweifellos ist für die Fortsetzung der Ge-
richtstätigkeit die volle Unabhängigkeit‘ eine notwendige Vor-
bedingung. Aber nicht bloß die Einwohner, sondern auch das
Besetzungsheer hatte das größte Interesse daran, daß die Gerichte
weiter ihres Amtes walteten; und die letzteren unterlagen keiner-
lei Zwang. Das alte Zivil- und Strafrecht war in Kraft geblieben
und die wenigen Erlasse des Generalgouverneurs bedrohten in
keiner Weise die Freiheit der Gerichte. Die vollkommene Ver-
kennung des Völkerrechts von seiten der französischen Regierung
hat die Leiden der französischen Bevölkerung nur unnötig ge-
steigert.
Der mit der Ausübung der Staatsgewalt und mithin auch
mit der Sorge für den Fortgang der Rechtspflege betraute deut-
sche Gouverneur half durch eigene Maßnahmen tunlichst nach.
Eine Neubesetzung der Stellen war im Krieg nicht möglich. Aber
man suchte und fand wenigstens auf dem strafrechtlichen Gebiet
Ersatz in den Kriegsgerichten °®, die sich dann in der Hauptsache
mit Eigentumsdelikten, seltener mit politischen Verbrechen zu
befassen hatten. Die friedensgerichtlichen Funktionen wurden den
Polizeikommissären °°, die Zuständigkeit in Forstvergehen den
5 Auch die Unabsetzbarkeit nach Maßgabe der bisherigen Gesetze,
von der nur die militärische Notwendigkeit entbindet.
55 Erlasse vom 12. Sept., 17. und 19. Dez. 1870.
5 Erlaß vom 19. Nov. 1870.