— 386 —
Bleiben die alten Beamten aber im Dienst, so sind sie der neuen
Regierung zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten
verpflichtet.
Die Frage des Beamteneides ist in der Landkriegsordnung
nicht gelöst worden und deshalb bestritten.
Der Beamte schuldet dem alten Souverän Treue, der Be-
setzungsherrschaft aber Gehorsam. Ein Gehorsamseid könnte mit-
hin wohl verlangt werden; aber die Grenze von Treue und Ge-
horsam ist schwer zu ziehen. Ein Zwang würde auch nur die
Amtsniederlegung zur unerwünschten Folge haben und der Eid
seinen Zweck verfehlen.
Im Krieg von 1870 hatte daher der elsässische Zivilkommissär
in seiner Proklamation vom 30. August 1870 erklärt:
„Von den Beamten wird für die treue Erfüllung ihrer Ob-
liegenheiten kein anderes Pfand verlangt als ihre Ehre und ihr
Gewissen, die ihnen jede Handlung oder Unterlassung verbieten.
welche das1Interesse der jetzigen Regierung
verletzt.
Jetzt in Belgien kam man, wie die Zeitungen berichteten, zu
dem Ausweg des Reverses, in welchem die Beamten verspre-
chen, nicht gegen die deutschen Interessen arbeiten zu wollen.
Die Beamten, welche weiterdienen, haben natürlich nicht
bloß den Schutz der Art. 293, 2. Abs., 44 und 45, sondern auch
einen Anspruch an die neue Regierung auf Fortgewährung ihres
Gehaltes ”. Die Mittel gewinnt die letztere nach Maßgabe des
Art. 48.
»" E. LoENING bemerkt (S. 49%): „daß die wenigen Beamten, die
(1870) im Amte geblieben sind, sich geweigert hätten, von deutscher Seite
ihr Gehalt zu beziehen, ist eines der vielen Märchen, die Herr Dumont
vorbringt. Wohl aber sind Fälle vorgekommen, daß Beamte, die ihren Ge-
halt von Frankreich bezogen hatten, ihn noch einmal von deutscher Seite
in Empfang nahmen.“