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belgischen, der englischen und der französischen Regierung vor-
ausgegangen und diese hatten ergeben, daß die genannten Regie-
rungen die Ernährung Belgiens für eine Pflicht Deutsch-
lands halten und eine Verletzung der Neutralität darin er-
blicken, wenn Holland auf den Vorschlag Deutschlands einginge.
Je weniger Lebensmittel Deutschland für Belgien aufwende, desto
mehr habe es für seine Heere zur Verfügung. Darnach stellten
sich die französische und englische Regierung und offenbar von
ihnen beeinflußt und genötigt, auch die belgische auf den
Standpunkt, daß Deutschland zum Schaden seiner Kriegsführung
und unter Vernachlässigung der Ernährung seiner Truppen ver-
pflichtet sei, die belgische Bevölkerung mit Lebensmitteln zu ver-
sorgen.
Davon kann natürlich keine Rede sein. Die Besatzungs-
truppen haben nach Art. 52 das Recht, für ihre Bedürfnisse von
den Gemeinden und Einwohnern Lebensmittel zu fordern; aber
keine Bestimmung der Landkriegsordnung sagt, daß die Heere von
ihren notwendigen Lebensvorräten an die Bevölkerung abzugeben
hätten. Deutsche Soldaten in Frankreich und Belgien haben
zwar als ächte „Barbaren“ nicht selten mit hungernden Frauen
‘und Kindern ihr Brot geteilt; aber eine Pflicht, und nun gar für
die Armeeverwaltung, besteht nicht.
Die Meinungsverschiedenheit erinnert übrigens an den Streit über
die Durchfahrt Verwundeter durch neutrales Gebiet. Im Jahre 1870
nach den Schlachten bei Metz hatte Deutschland bei Belgien und
Luxemburg die Erlaubnis zu erwirken versucht, die deutschen und
französischen Verwundeten über deren Gebiet befördern zu dürfen.
Die Schlachttage unter brennender Sonne und dazu Wassermangel
hatten eine bedenkliche Lage geschaffen. Es handelte sich um die
Interessen der Verwundeten und die allgemeinen Gesundheitsverhält-
nisse der Gegend. Während Luxemburg, ebenso wie vorher schon die
Schweiz, der Anregung stattgab, verhielt sich jedoch Belgien,
nachdem es sich mit England benommen hatte, ablehnend. Erst