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nach der Schlacht von Sedan ging es auf das von Deutschland
wiederholt gestellte Verlangen ein.
Die Brüsseler Deklaration Art. 55 hieß das gut, aber auf
der ersten Haager Konferenz erneuerte Frankreich seinen Wider-
spruch mit folgender Begründung: die Beförderung der Verwun-
deten durch neutrales Gebiet entlaste die Wege einer Armee, und
die letztere könne ihre Unternehmungen um so leichter durch-
führen. Jetzt war es aber vor allem der belgische Staatsminister
BEERNAERT, welcher widersprach mit der Feststellung, der Artikel
sei einzig und allein durch die Menschlichkeit bestimmt. Der
deutsche Oberst V. SCHWARZHOFF meinte entgegenkommend: in
rein technischer Beziehung habe Frankreich ja wohl recht; aber es
gebe Fälle, wo die Gesetze der Menschlichkeit höher eingeschätzt
werden müßten als die Gesetze des Krieges, und dieser Gesichts-
punkt schlug durch. Zu dem Art. 59 der Landkriegsordnung (jetzt
Art. 14 des Neutralitätsabkommens für den Landkrieg), welcher
die Brüsseler Bestimmung wiedergibt, wurde, und zwar jetzt unter
Zustimmung des französischen Vertreters, eine als authentischer
Kommentar bezeichnete Erklärung BEERNAERTs ins Protokoll auf-
genommen, welche besagt: Menschlichkeit und gesundheitliche
Erwägungen können einen neutralen Staat bestimmen, verwundeten
oder kranken Soldaten den Durehzug durch sein ‚Gebiet zu ge-
statten, ohne daß er dadurch die Neutralität verletzt. Aus dem
Gesetz selbst aber geht hervor, daß beiden kriegführenden Heeren
gegenüber dieselbe Haltung beobachtet werden mu£.
Diese Humanitätserwägung sollte aber in unserem Falle, wo
zwar nicht das Schicksal der Verwundeten, wohl aber einer armen
Bevölkerung in Frage steht, um so mehr bestimmend werden, als
hier Neutralitätsbedenken in Wahrheit gar
nicht bestehen. Es muß nämlich betont werden, daß Lebens-
mittel nur relative Konterbande sind, und deshalb für die fried-
liche Bevölkerung anstandslos eingeführt werden dürfen. Leider
sind aber die Konterbandebestimmungen der freilich nicht ratifizierten