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tilstaat im großen ganzen so gut wie nicht nach einer Staats-
zugehörigkeit sah, daß er ‘vielmehr einzig strebte, möglichst ihm
als erwünscht erscheinende Elemente in sein Gebiet zu ziehen und
hier vermöge der Eingliederung in einen der vorhandenen Stände
festzuhalten. Aber schon machen sich die Zeichen einer neuen
Zeit bemerkbar; die Staaten stehen untereinander in Verbindung.
Man behandelt den Untertan fremder Suveräne nicht als Inländer,
solange er nicht in den eigenen Untertanenverband übergetreten
ist, wobei aber wieder eine außerordentliche Unklarheit zutage
tritt. Obwohl die Vertragstheorie hier den Boden gut vorbereitet
hatte, kommt die Praxis nicht über die Unterscheidung zwischen
subditus perpetuus und temporarius hinweg, und wir werden fin-
den, daß die Praxis in der Folge auch gegenüber einer verhält-
nismäßig klaren gesetzlichen Regelung völlig versagte. Indessen
ist doch auch in der Praxis das Streben unverkennbar, die Fort-
dauer des einmal begründeten Untertanenverhältnisses, damit aber
dessen persönliche Natur anzuerkennen, sei es daß man zu einer
doppelten Untertanschaft gelangte, oder wo eine solche vermöge
des mitgebrachten Rechts des Eingewanderten ausgeschlossen war,
Auswege suchte*”. So läßt man denn ohne weiteres fremde Un-
tertanen ım Inland zu, und wenn der Fremde nicht Einheimischer
werden will, so läßt man ihn das persönliche Band zu seinem
fremden Staat behalten, stets ein Fremder bleiben, er. mag sich
nur während seines Aufenthalts im Inland so nützlich machen als
er kann. Er genießt dafür den Schutz des Staats, muß sich aber
andererseits in gewisser Hinsicht den einheimischen Gesetzen un-
terwerfen. Im übrigen gehen nach heutiger Auffassung öffentlich
und privatrechtliche Gesichtspunkte kunterbunt durcheinander und
“ Vgl. z. B. v. Kamptz Annalen 1836 S. 519: „.. . Gestatten es...,
einem Ausländer die Gesetze des Landes, dem er durch seine persönlichen
Verhältnisse angehört, nicht, den diesfälligen Gesetzen Genüge zu leisten,
:80 kann er freilich . . . nicht zugelassen werden, es wäre denn, daß
S. Majestät der König . ... für den besonderen Fall eine Ausnahme von
der Regel nachzulassen geruhen sollte*.