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konstituiert werden“ ?. Stets ist bier an einen Aufenthalt mit der
Absicht zu bleiben gedacht, für welche Absicht bereits das Mieten
einer Wohnung als Beweismittel anzunehmen ist®®, Aber da selbst
dann noch immer Fälle denkbar bleiben, in denen ein Indigenat
nicht bestand, legte man ALR. II 17, 88 131 und 132 dahin aus,
daß bei zehnjährigem Bestehen dieses „gewöhnlichen Wohnsitzes*
im Inland in Verbindung mit der Tatsache eines Gewerbebetriebs
oder des eigentümlichen Erwerbs eines Grundstücks die Nieder-
lassung im Inland und damit die Rechtsstellung eines preußischen
Untertanen existent geworden sei®, wie dies sehr deutlich in den
SS 1, 2, 11 und 14 des Edikts vom 2. Juli 1812 wegen Auswan-
9! vw, Kamprz, Jahrb. 1826 Nr. 111.
»2 vw, KampTz, Ann. 1830 S. 407.
»® Obertribunal in BlfRAnw. 8/177; Ges.Rev. Pens. XII S. 304; OVG.
7/8375. Hierher gehört auch die Bekanntmachung vom 26. 1. 1824 (Ges.
Samml. 56), nach der ausländische Dienstboten und Gesellen, die sich
10 Jahre an ein und demselben Ort aufgehalten haben, als Inländer an-
gesehen werden. Der Gedankengang ist ganz der gleiche, wie bei REHM
a. a. 0. S. 71fl.: Weil eine Zeitlang Vorrechte bestehen, kommt mit Ab-
lauf dieser Zeit die Staatsangehörigkeit zur Entstehung. Weil im Falle
der Niederlassung nach 10 Jahren eine Auswanderung nicht mehr möglich
ist, wäre jetzt die StA. entstanden. Dabei ist aber übersehen, daß nach
8 132 nicht der „Wohnsitz“ 10 Jahre bestanden haben muß, sondern daß
im Falle der Begründung eines Wohnsitzes nach 10 Jahren seit der An-
kunft im Inland die Auswanderungsfreiheit erlischt, und zwar auch dann,
wenn die „Niederlassung“ erst am letzten Tag dieser Frist stattfand.
Also gerade umgekehrt: Es findet nicht die Begründung einer Staatsan-
gehörigkeit durch Zeitablauf statt, sondern mit Ablauf dieser Zeit fällt
eine vorher bestandene Begünstigung weg; insbesondre läuft nicht etwa
eine neue lOjährige Auswanderungsfrist, wenn jemand bereits 10 Jahre am
Ort aufenthältlich ist und dann erst sich förmlich niederläßt. Wohnsitz
oder Niederlassung und Aufenthalt sind auch im älteren Preußen ver-
schiedene Dinge; praktisch allerdings war ein Aufenthalt ohne gleich-
zeitige Wohnsitznahme nur noch ausnahmsweise denkbar, nachdem sogar
das einfache Mieten einer Wohnung als Beweis für den Niederlassungs-
willen angesehen wurde. Es mag zugegeben werden, daß an dieser rigo-
rosen Praxis die Armengesetzgebung die Hauptschuld trug. Aber die
Praxis bedeutet gegenüber dem Gesetz einen bedeutenden Rückschritt;
etwas ähnliches berichtet REHM a. a. O. S. 99 aus Bayern.