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diesen Fällen $ 23 an, wonach bei unerlaubter Abwesenheit von
zehnjähriger Dauer — sei dies von vornherein oder nach Ablauf
eines bewilligten Urlaubs — die Eigenschaft als preußischer
Untertan erlischt. Doch präsumierte man, daß bei der Entfernung
aus dem Staatsgebiet das Untertanenrecht aufgegeben werden
sollte; die Präsumtion konnte durch den Nachweis der Beibe-
haltung des preußischen Staatsbürgerrechts entkräftet werden,
wofür man den Besitz von Reisepapieren, Wanderbüchern, eines
Heimatscheins u. dgl. als ausreichend ansah !?°,
Man unterschied also das Ausscheiden aus dem Untertanenver-
band als den Verlust einer persönlichen Eigenschaft, und das Ver-
lassen des Staatsgebiets. Damit gelangt man zur Trennung der
Doppelstellung des Untertanen, je nachdem die persönliche Unter-
tanenstellung oder die Unterwerfung unter die Gebietshokeit in
Frage steht, und insofern ist die Unterscheidung der Praxis sehr
wesentlich: Führt sie doch dazu, daß bei rechtzeitiger Rückkehr
im Falle der unerlaubten Auswanderung ein volles Wiederaufleben
der Untertanenrechte stattfindet, wie denn auch MinBl. 1843/219
folgerichtig in einem solehen Falle die Notwendigkeit der Aus-
stellung einer Naturalisationsurkunde verneint hat.
Bei dieser Auffassung blieb die Praxis auch, nachdem Art. 11
VU. die Auswanderungsfreiheit proklamiert hatte'”. Man stand
unter der Auffassung, daß mit der Freigabe der Auswanderung der
Staat nicht auf die Regelung dieses Rechts durch seine Gesetze
verzichtet habe '”. Wenn er also die Meldung des Entschlusses
zur Auswanderung verlange, so könne er auch die Erfüllung der
bis zu diesem Augenblick entstandenen Untertanenpflichten fordern,
und dem ohne diese ausdrückliche Erlaubnis Auswandernden gegen-
über könne dem Staat nicht das Recht abgesprochen werden, ihn
als seinen Angehörigen in vollem Umfang zur Erfüllung seiner
125 v, MArTITZ in Hirths Ann. 1875 S. 819.
126 Vgl. v. RÖNNE Staatsrecht 2. Aufl. Bd. 1b S. 15.
1837 STÖRCK in Holtzendorffis Handbuch des Völkerrechts I S. 600.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIIT. 3/4. 32