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Untertanenpflichten heranzuziehen. Die von der staatlichen Rechts-
ordnung der Willensfreiheit der Individuen gesetzten Schranken
hätten auch dann bindende Kraft, wenn sie die Auswanderungs-
befugnis selbst betreffen. Die rechtliche Handlungsfähigkeit der
Untertanen nach dieser Richtung hin — dieser Teil ihres status
— finde bier Inhalt und seine ausschließliche Quelle !®, Die
Praxis war hier weit folgerichtiger als das Gesetz. Sie erkannte
recht wohl den Unterschied zwischen der Lösung des persönlichen
und des dinglichen Bandes zwischen Staat und Untertun; das
Gesetz suchte dagegen eine praktische Lösung der Frage, wie man
die sich ergebenden Schwierigkeiten im Falle einer „einseitigen“
Lösung des Untertanenverhältnisses beseitigen könne, wobei das
Gesetz wieder die persönlichen mit den territorialen Beziehungen
verband. Vielleicht tat man das bewußt; vielleicht ist aber hier
auch nur eine Reminiszenz an den alten Territorialstaat zu suchen.
Jedenfalls aber war diese Inkonsequenz des Gesetzes ein böser
Fallstrick für die Praxis, die seither nur eine Auswanderung unter
dem Gesichtspunkt der Lösung des durch das Domizil vermittelten
Bandes kannte, die den Einwohner vermöge des Domizils als
landesangehörigen Untertan, als Teil des Territoriums ansah !*,
der nur kraft besonderer Erlaubnis das Territorium verlassen
durfte. Diese Praxis konnte mit einem Gesetz nicht viel anfangen,
das das Domizil allein nicht als maßgeblich erklärte und doch
nicht davon loskam, Personal- und Gebietsangehörigkeit neben-
einander stellie und so geradezu dazu reizte, Auswanderung und
Ausbürgerung gleichzusetzen. Erst dem Reichsgesetz von 1913
war es vorbehalten, durch Beseitigung der zehnjährigen Frist den
erheblichsten Schwierigkeiten ein Ende zu machen.
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Darüber aber, wasdas Wesen und den Inhalt dieser von ihm als
persönliche Eigenschaft aufgefaßten Zugehörigkeit zum Staat aus-
128 STÖRCK a. a. O. S. 599.
12° BRAUN in Friedbergs Zeitschrift für Kirchenrecht 21/426.