Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

— 502 — 
Ein solches Prinzip setzt sich nicht über Nacht durch; es ist 
zu tausend Kompromissen gezwungen, indem es bestehende Ver- 
hältnisse anerkennt, sei es schlechthin, sei es nach einer ent- 
sprechenden Umbildung. Es bedarf einer Trägerschaft und Popu- 
larisierung, denn eine, dauernd zur Ohnmacht verurteilte beherrschte 
Masse muß sich schließlich zuletzt auflehnen oder in sich zu- 
grunde gehen und damit den „Staat“ selbst dem Zusammenbruch 
zuführen — beides Vorgänge, die sich in der Geschichte abge- 
spielt haben. So stellt sich der „absolute Staat“ als eine in stän- 
digem Fluß befindliche unausgeglichene Masse dar. Er gleicht 
einem jener alten Schlösser, die in grauer Vorzeit von der Stammes- 
gemeinde zum Schutze der Gesamtheit und als Zufluchtsort für 
Zeiten der Not errichtet wurden, in denen sich dann eine einzige zur 
Macht gelangte Familie — meist, nachdem sie kraft Amts- oder 
Gesamtrechts in den Besitz des Schlosses gelangt war — fest- 
setzt, um nur noch der Gewalt zu weichen. Was ihr zur Er- 
reichung ihres Zwecks von dem alten Bau geeignet erscheint, 
läßt sie stehen, sonst baut sie es um oder bricht es ab, das alte 
Material zum Aufbau des neuen benutzend — in stetigem Wechsel. 
Was heute noch gut oder ausreichend erscheint, muß morgen 
fallen und einem Neubau weichen — wobei die Erlangung der 
seither fehlenden Mittel zur Ausführung der schon lange ge- 
einflußt ist, daß vieles nur aus dem Gedankenkreir des Polizeistaats heraus 
erklärt werden kann, wie ja auch umgekehrt dieser alle jeweils nicht 
unterdrückten Elemente der vor ihm liegenden Epoche gelten lassen mußte. 
Nur ist der Unterschied der, daß damals das Recht vor der Macht zurück- 
trat, während heute jene Reste des Polizeistaats vom Recht sanktioniert 
sind, vgl. z. B. Art. 106 Preuß. VU., der keineswegs den Absolutismus für ewige 
Zeiten proklamiert, wie RuMMLER, Preuß. Recht, 1913 S. 145 ff. zu behaup- 
ten scheint, sondern gerade im Gegenteil an die Stelle der seitherigen tat- 
sächlichen Verbindlichkeit von Gesetz und Verordnung für die Unter- 
tanen die rechtliche Verbindlichkeit setzt. Eine andere Frage ist 
natürlich, inwieweit Art. 106 VU. dem noch immer im Hindergrund unseres 
Staats lauernden Gespenst des Absolutismus die Möglichkeit bietet, sein 
ätzendes Gift fort und fort nach dem lebenden Staatskörper zu spritzen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.