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Persönlichkeit zukommt, so daß als Wesensmerkmal des ‚Staats
schließlich nur noch die potestas eivilis („Hoheit im Staat“) er-
scheint (NETTELBLADT) !’, Und dies in demselben Preußen, dessen
königlicher Philosoph !”” im Antimachiavell den Fürsten als ersten
Diener der von ihm beherrschten Völker oder als ersten Diener
und Beamten des Staats bezeichnet!”. Dazu nehme man die reli-
giös-sittliche Auffassung des preußischen Königtums, andererseits
die damalige Auffassung der moralischen Persönlichkeit des Staates
als repräsentative Einheit '””, aber unter gleichzeitiger Unterwerfung
der Glieder unter die Autonomie des Ganzen, die selbst bei RoUS-
SEAU trotz seiner Verwerfung der repräsentativen Einheit keine
absolute Grenze für den herrschenden Gesamtwillen anerkennt —
und die Grundlagen einer Staatsauffassung liegen vor uns, an der
die Verfasser des ALR. nicht gut stillschweigend vorübergehen
konnten, nachdem die allgemeine Gärung 1778 im fernen Westen
ein echtes Staatswesen auf ganz neuer Grundlage hatte erstehen
lassen und in Frankreich bereits mächtige Wellen zu schlagen
begann. Hier ist wohl der innere Grund dafür zu finden, daß
das Monitum unberücksichtigt bleiben mußte, ALR. II 13 gehöre
nicht in das ALR., wenn damit „wirkliche Pflichten des Staats-
186 GIERKE a. a. O. IV S. 464.
157 Wie sehr andrerseits aber auch Friedrich II. an der Auffassung
des Landesherrn und der persönlichen Herrschaft über die Untertanen
festgehalten hat, beweist vielfach der Wortlaut seiner Gesetze; so sagt
z. B. ein Auslieferungsvertrag mit Kurbraunschweig von 1778: „derer,
welche in einem der beiderseitigen Lande sich gewöhnlich aufhalten und
also wirkliche Untertanen des einen oder andern Landesherrn sind*, vgl.
BRAUN in Friedbergs Zeitschr. für Kirchenrecht Bd. 21 S. 428 Note 35, so-
wie im allgemeinen MEIER, Französische Einflüsse 2/15 ff.
188 Einzig HOBBES führte restlos die Herrscherpersönlichkeit unter Leug-
nung aller Volksrechte durch; seine Schule weigerte ihm jedoch hier die
Gefolgschaft wenigstens in Deutschland, wo man allgemein Beschrän-
kungen der Herrschersouveränität zuließ; vgl. MxıEr, Französische Ein-
füsse 1 S. 51 ff., 57 ff.; GirEse, Die Grundrechte S. 11; GIERKE a. a. O.
IV S, 328 ff., 355 ff., 452 ff.
18% GIERKE a. a. O. IV S. 424,