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Der von uns vertretenen Auffassung steht auch nicht ent-
gegen, was SEYDEL a. a. O. S. 3 ausführt, daß nämlich der ein-
zelne Staat für die Menschen, die er umfasse, die vollkom-
mene Einigung darstelle, neben der eine gleich hohe Gemein-
schaft nicht möglich sei; denn dieser Satz trifft jedenfalls nur
für den werdenden Staat zu, d. h. für eine primäre Staatsbildung.
Der Bundesstaat aber ist das Produkt sekundärer
Staatsbildung, d. I. er setzt einen staatlichen Zustand, also
(nach SEYDEL) eine vollkommene Vereinigung von Menschen zu
seiner Entstehung bereits voraus: m. a. W. wie der Staat durch
die Vereinigung von Menschen, so entsteht der Bun-
desstaat durch die Vereinigung von Staaten”.
Vortrefflich drückt denselben Gedanken — mit Beziehung
auf die Gründung des Deutschen Reiches — LABAND aus, wenn
er a. a. OÖ. S. 96 sagt: „Das deutsche Volk war bei der Errich-
tung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches nicht
eine politisch oder staatsrechtlich unorganisierte
Masse, nicht ein Volkslıaufen als Naturprodukt, sondern es
war in eine Anzahl von „Staatsvölkern“ zerlegt, von denen
jedes einzelne seine verfassungsmäßige Organisation, seine staats-
rechtliche Persönlichkeit besaß“; und weiter unten: „Vom recht-
lichen Gesichtspunkte aus erscheint die Gründung des Nort-
deutschen Bundes und des Deutschen Reiches nicht als eine Tat
des Deutschen „Volkes“, sondern als eine Tat der im Jahre 1867,
resp. 1870 vorhanden gewesenen deutschen Staaten: alle Akte,
welche die Errichtung des Bundesstaates herbeiführten, waren
Akte dieser Staatspersönlichkeiten.*®
Entsteht aber der Bundesstaat nicht unabhängig von
den bereits gewordenen, vorhandenen Staaten,
d. h. nebenher und aus originärer Bildung, sondern gerade
’ Bzw. aus der Zerbröckelung eines Einheitsstaats; vgl. auch JELLI-
NEK a. a. O. S. 247 ff. sowie auch insbes. JELLINEK a. a. O. S. 709 ff. und
JELLINEK, Staaten-Verb. S. 256 ff.