Aus sich heraus schöpft nunmehr der absolute Staat den
konstitutionellen, welcher, wie man mit gutem, nur freilich nicht
mit juristisch erweisbarem Grunde annehmen kann, das Oester-
reich von heute ist, schöpft ihn mit der formal identischen, nur
materiell von Grund aus geänderten Verfassung, wie sie in den
fünf Staatsgrundgesetzen vom 21. Dezember 1867, vornehmlich
im Staatsgrundgesetze über die gesetzgebende Gewalt niedergelegt
ist. Zwischen dem Staate vor jenem für die Verfassungsgeschichte
Oesterreichs wichtigsten Dezembertage und dem nach jenem Zeit-
punkt besteht bei aller materiellen Verschiedenheit formale Iden-
tität, Rechtskontinuität, Rechtseinheit. Der Absolutismus hat ab-
diziert und dem Konstitutionalismus — wie vorübergehend vorher
schon öfter — nunmehr dauernd das Feld geräumt “4. In einer neuen
Verfassung, die, wenn sie als einseitiger monarchischer Akt er-
ginge, abermals die Rechtskontinuität zerreißen und Oesterreich eine
neue Staatlichkeit bescheren würde; die, wenn sie (was praktisch
völlig undenkbar ist), in den nach der Dezemberverfassung gelten-
den Formen der Verfassungsänderung erginge, an der Staatsidentität
nichts ändern würde, hat sich der Absolutismus nicht mebr von neuem
durchzusetzen versucht. Freilich sind legislative Maßregeln nicht
ausgeblieben, die mit keiner Interpretationskunst aus der Dezem-
berverfassung abgeleitet zu werden vermögen, die in unserem
Rechtssysteme, sofern und soweit wir es auf die Dezemberverfas-
sung gründen wollen, keinen Platz haben. Vom Standpunkt der
BD
44 Die Beschlußfassung des Reichsrates bei den Dezembergesetzen kommt
juristisch nieht in Betracht, juristisch handelt es sich um einen einseitigen
Akt des bis dahin absoluten Monarchen. Das rechtlich Relevante an der
Erlassung der Staatsgrundgesetze ist ausschließlich noch die kaiserliche
Sanktion; eben dieselbe kaiserliche Sanktion hat es aber bewirkt, daß sie
in diesen Fällen zum letztenmale das ausschließlich Relevante war, daß,
was bei den Dezembergesetzen noch ein unwesentliches Beiwerk war (näm-
lich die Mitwirkung eines Reichsrates bei der Gesetzgebung), in allen künf-
tigen Fällen ein Essentiale werden sollte.
45 Das würde nämlich bedeuten, daß der Reichsrat seine eigene Auf-
hebung beschlösse und dem Absolutismus freiwillig das Feld räumte.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXVII. 1. 7