— 10 —
fassungsrechts zu suchen, kann nicht Aufgabe unserer vorliegen-
den juristischen Untersuchung sein. Hier können wir eine der-
artige Voraussetzung nur „machen“. Man spricht in demselben
Sinne auch davon, daß man irgend eine „Ordnung“ zum „Aus-
gangspunkt“ der Rechtskonstruktion erhebe®®.
Als solcher Ausgangspunkt, wenn man mit dem Worte den
Sinn verbindet, daß eine Staatsgründung vorliege, eignet sich nun
allerdings die Dezemberverfassung nicht. Aus Gründen politischer
Dogmatik oder auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnis mag auf sie
die Wahl gefallen sein — man wird gleichzeitig mit ihr, und zwar
bereits auf Grund juristischer Erkenntnismittel, den Absolutismus
des Septembermanifestes akzeptieren müssen; akzeptieren freilich
nicht in dem Sinne einer politischen Bejahung, Gutheißung, son-
dern bloß in dem Sinne, daß der Erkenntnis von der Rechtsein-
heit, von der Identität des damaligen Staates mit dem Staate,
dessen Verfassung man zum „Ausgangspunkt“ genommen hat,
d. i. dem der Dezemberverfassung, nicht auszewichen werden kann.
Man wird sich diese Aufstellung (von mancher Seite aus viel-
leicht mit Vergnügen) möglicherweise in der Meinung zu eigen
machen, daß somit der Gegenwartsstaat, da er ja auf den Abso-
lutismus zurückgeführt, in ihm begründet wird, im Grunde noch
der absolute Staat wie vor dem Jahre 1867 sei. Es wäre ja an
dieser Annahme etwas Wahres, nur gilt es einer falschen Meinung
vorzubeugen. So viel ist richtig, daß der konstitutionelle Staat
von heute mit dem absoluten vor der letzten geschriebenen Ver-
fassung trotz tiefer materiellrechtlicher Unterschiede im Rechts-
sinne identisch ist. Man darf aber darum doch nicht glauben,
was zu glauben manchem angenehm wäre, daß dadurch ein irgend-
wie verstecktes Fortleben des absoluten Staates bedingt, daß dieser
#4 So TEZNER (Oesterr. Zeitschrift für öffentl. Recht, I. Jhrgg., 1. H,,
S. 14), wenn er sagt: „Um überhaupt einen Maßstab für die Feststellung
des Rechtes zu gewinnen“, muß man „irgend eine in staatlich autoritativer
Form auftretende Ordnung, also beispielsweise die Österreichische Dezem-
berverfassung als Ausgangspunkt anerkennen‘.