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mitunter aber auch, wie er — von seinem Standpunkte des deut-
schen Verwaltungsrechtes aus begreiflicherweise — zu bemerken
unterläßt, die Welt eines Staates trennt. „Unser Vorrat von Ver-
waltungsrechtssätzen weist... . immer noch eine Menge von An-
ordnungen auf, die unter dem Namen von Gesetzen gehen, ohne
die Form unseres verfassungsmäßigen Gesetzes zu haben. Sie ent-
stammen der Zeit vor der Einführung der Verfassung“°?. Daß
sie dieser Zeit entstammen, kann für ihre heutige Geltung aller-
dings — insoweit macht MAYER leider keine Einschränkung —
dann keineswegs bedenklich sein, wenn durch die Verfassungs-
schöpfung die Staatseinheit nicht zerrissen wurde®. Auch daß
sie die — für jene Zeit nicht in Geltung gestandenen — Gesetzes-
formı nicht aufweisen, kann für ihre heutige Gültigkeit kein Hin-
dernis sein, wenn nur die Staatseinheit gewahrt blieb — außer
es hätte sich irgend eine Verfassung hinsichtlich ihrer Formvor-
schriften rückwirkende Kraft zugeschrieben, was dann freilich
nichts anderes als Derogation des gesamten vorgängigen, diesen
Formvorschriften nicht genügenden Rechtstoffes bedeutet haben
würde und lediglich als Umschreibung dieser Derogationsabsicht
verstanden werden müßte. |
Wenn dann MAYER folgendermaßen fortfährt5: „Was da-
mals als Gesetz auf die Untertanen wirken und von den Gerichten
angewendet werden sollte, mußte gehörig veröffentlicht worden
sein. Außerhalb des Bereiches der Justiz war die Veröffentlichung
Zweckmäßigkeitsfrage Als nun die Verfassung kam und man
überall die ihr entsprechenden Gesetze 55° brauchte, auch in der
63 OTTo MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1914, I. Bd. S. 84.
53 Dies war zwar nicht bei der Gründung des neuen Deutschen Reiches
hinsichtlich dessen Gliedstaaten der Fall, hat sich aber in deren älterer
Verfassungsgeschichte immerhin hie und da ereignet. Und daher ist unser
für Oesterreich hochaktuelles Problem auch für das Deutsche Recht und
zumal für eine Theorie des deutschen Verwaltungsrechtes nicht inaktuell.
ss A. a. 0.8, 84.
55 Bei gegebener Staatseinheit „entsprachen“ ihr eben die älteren
Polizeigesetze, auch wenn sie nicht die Gesetzesform aufweisen.