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um vorkonstitutionellen Rechtserscheinungen fortdauernde Geltung
zu verschaffen, dann sind auch Allgemeinverbindlichkeit und Ver-
kündigung oder andere Eigenschaften, die das formal vorkonsti-
tutionelle Recht materiell dem konstitutionellen nahe bringen, un-
taugliche Mittel zu dem angestrebten Zweck, dem Recht des ab-
soluten Staates fortdauernde Geltung im Verfassungsstaate zu
verschaffen. Es muß das vergangene Recht, das Recht des über-
lebten Staates, irgendwie vergegenwärtigt, es muß das staatsfremde
zum staatseigenen Recht erhoben worden sein. Diesen Zwecken
dient der Akt der Rezeption.
Wie ein völlig landfremdes Recht, so kann um so mehr auch
das Recht einer älteren Staatsform des eigenen Landes sozusagen
mit einem Federstriche in die neue Staatsform einverleibt, dem
Gegenwartsstaate gewonnen werden. Damit wird es aber dem
neuentstandenen (also materiell neuen) Rechte gleichartig. Damit
ist eine Staatsumwälzungen überbrückende, fremde Staaten verbin-
dende KRechtseinheit geschaffen. Auf diesem Wege vereinbart sich
materielle Kontinuität mit formeller Diskontinuität.
Eine solche Rezeption des Rechtes überlebter Gestaltungen
des Staates wird sich nun auch für Oesterreich nachweisen lassen.
Eine jedesmalige materielle Neuschöpfung des Rechtes bei dem
oft geradezu überhasteten Wechsel in den Verfassungen, den
Oesterreich erlebt hat, müßte man vor allem geradezu als tech-
nische Unmöglichkeit erkennen. Die primitivste Oekonomie in
legislativen Dingen erfordert, daß sich der neugeschaffene Staat
des vorhandenen Rechtsstoffes seines Vorgängers bediene Man
hat dies bei dem reichen Wechsel der Verfassungen stets getan,
man hatte aber, da man sich des Problemes nicht bewußt war,
nicht dafür vorgesorgt, daß dies verfassungsmäßig geschehe. In
der gegenwärtigen Rechtsordnung nun scheint uns eine solche
Vorsorge zu erkennen zu sein, freilich ohne. daß die Kodifikatoren
etwas dazu getan haben würden. So ergibt sich die Geltung des
bürgerlichen Gesetzbuches und der anderen gefährdeten Rechts-
g*