der Zustimmung des Reiches bedürften. Denn das abgetretene
Stück bleibe jedenfalls der souveränen Reichsgewalt wie bisher
unterworfen. Es sei für das Reich in der Regel ohne rechtliches
Interesse, ob ein Stück des Bundesgebietes zu diesem oder jenem
Staate gehöre. Auch die Staatspraxis hat diesen Standpunkt stän-
dig vertreten. Er ist auch juristisch gerechtfertigt. Er erscheint
deswegen prinzipiell zutreffend, weil der räumliche Herrschafts-
bereich der Reichsstaatsgewalt in solchem Falle keinerlei Verän-
derung erfährt. Folglich ist die Rechtsgültigkeit der Gebietsver-
änderung als solcher durch keinen Akt: der Reichsgesetzgebung
bedingt. Wohl aber bedarf es eines solchen Aktes, wenn — in
diesem Falle: weil — zufolge der Gebietsveränderung Reichs-
einrichtungen oder Reichsrechtsnormen betroffen werden, so z. B.
wenn eine Aenderung der Verteilung der Bundesratsstimmen, der
Zahl oder Verteilung der Reichstagsabgeordneten, der Wahlkreis-
einteilung oder sonstiger Rechte und Pflichten der Gliedstaaten
gegenüber dem Reiche eintritt?5. ZORN®® macht zur Begründung
seiner abweichenden Meinung geltend, Veränderungen des Reichs-
gebietes gegenüber dem Bestande der Reichs- wie auch der einzel-
staatlichen Grenzen vom1. Januar 1871 enthielten immer eine Ver-
fassungsänderung, weil der Gebietszustand der Einzelstaaten vom
1. Januar 1871 in Art. 1 RV. niedergelegt sei. Hierbei wird
aber doch wohl die staatsrechtliche Bedeutung des Art. 1 RV.
überschätzt. Dieser fixiert wohl das „Bundesgebiet“, nicht aber
die einzelnen Staatsgebiete, setzt diese vielmehr in ihrer gegebe-
nen und jeweiligen Größe voraus. Es ist nicht die Aufgabe der
Reichsverfassung und im Zweifel nicht als zur Kompetenz des
Reiches gehörig zu erachten, den territorialen Besitzstand der
einzelnen deutschen Gliedstaaten in einem genau bestimmten Um-
fange zu garantieren.
95 Dies erkennt auch die herrschende Meinung an. Vgl. z. B. LABAND
I. 203. BORNHAK I. 241 f. SCHwARTZ, Die VU. für den Preuß. Staat ?1898, 45.
se Staatsrecht I. 102. Ihm folgend Bansı in Annalen des DR,, 1898, 686
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