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ringt, nur um so fühlbarer macht. 3) Wir protestiren gegen einen Gesetz-
entwurf, der sowohl die Eintracht zwischen Kirche und Staat, als die Ord-
nung der religiösen Verhältnisse, welche durch jene feierliche Vereinbarung
zwischen Sr. Heiligkeit Papst Pius IX. und Sr. apost. Majestät Franz
Joseph I. zum sittlichen und religiösen Wohle der Völker Oesterreichs be-
festigt wurde, sicherlich stört, den unheilvollsten Kampf zu entzünden und
dadurch die verderblichsten Wirren heraufzubeschwören geeignet ist. Wir
protestiren gegen einen Entwurf, der durch das höchste Mißtrauen gegen
unsere Kirche, durch die Entweihung der Heiligkeit des Ehebundes, durch
die Trennung der Schule von der Kirche und die Verweltlichung der Kinder-
erziehung unsere Gewissen und e#elterlichen Rechte verletzt, die Lockerung der
sittlichen und gesellschaftlichen Bande mit sich bringen und namenloses Elend
in Reich und Vaterland hereinführen kann. 4) Wir Gemeinden und Män-
ner in Tyrol protestiren um so lauter und kräftiger gegen jenen Entwurf,
weil unser Land durch die bittersten Erfahrungen unter fremden Regierungen
die unseligen Folgen polltischer Uebergriffe in geistliche Dinge kennen gelernt
hat und wir einen tiefen Abscheu gegen dergleichen Dinge von unseren ruhm-
vollen Vätern ererbt haben. Indem wir diesen Protest in redlichster Ueber-
zeugung und gerechtester Entrüstung vor aller Welt erheben, wollen wir un-
sere Vertreter an jene ewig bindende Verantwortlichkeit, von der kein mensch-
liches Gesetz befreit, mahnen; und wir hoffen und wünschen, daß ein h. Haus
zur Ehre der Religion und zum Wohle Oesterreichs jenen Gesetzentwurf nicht
annehme. Gott segne den Kaiser, das Land und das Reich!“
30. April. (Wälschtyrol). Die Handelskammer von Noveredo beschließt,
nachdem das Staatsministerium ihr Gesuch um Trennung des
Kreises von Trient von Deutschtyrol und Einverleibung desselben
in das österr. Italien abgewiesen, dieses Gesuch so oft zu er-
neuern, als sich eine günstige Gelegenheit dafür ergeben würde.
1. Mai. Der Staatsminister verkündet dem Abg.-Hause eine kaiserl. Bot-
schaft, welche die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber der
Reichsvertretung zugesteht: "
„In dem Zeitpunkte, in welchem der Reichsrath die verfassungsmäßige
Behandlung des Staatsvoranschlages für das Jahr 1862 und der damit im
Zusammenhange stehenden Finanzgesetze beginnt und insbesondere die Be-
handlung jener Regierungsvorlagen vorgenommen werden soll, durch welche
die Deckung der Staatsbedürfnisse und Regelung der Geldverhältnisse ange-
strebt wird, haben Se. Majestät Allerhöchstihren Ministern den Auftrag
zu ertheilen geruht, den beiden Häusern des Reichsrathes kundzugeben,
daß die am 2. Juli 1861 in dem Hause der Abgeordneten abgegebene Er-
klärung, daß die Minister für die Aufrechthaltung der Verfassung und für
die genaue Erfüllung der Gesetze auch der Reichsvertretung gegenüber sich
für verantwortlich erkennen und diese Verantwortung übernehmen, mit aus-
drücklicher Genehmigung S. M. des Kaisers abgegeben worden ist,
daß S. M. nicht nur dem Grundsatze der Ministerverantwortlichkeit mit
jener Begrenzung, wie sie am 2. Juli 1861 festgestellt wurde, die Aller-
höchsie Zustimmung ertheilten, sondern auch konstatirt wissen wollten, daß
mit der schon durch Ertheilung der Verfassung begründeten
Anerkennung dieses Grundsatzes die in dem allerhöchsten Kabinetsschreiben
vom 20. August 1851 enthaltene Bestimmung, daß das Ministerium allein
und ausschließlich gegenüber dem Monarchen verantwortlich erklärt, und
gegenüber jeder andern politischen Autorität der Verantwortlichkeit enthoben.
worden ist, selbstverständlich insoweit außer Wirksamkeit getreten ist,
als sie mit dem obengedachten Grundsatze der Ministerverantwortlichkeit nicht