Gen verfügt über 17 Stimmen im Bundesrat und kann daher jede
Zuständigkeitserweiterung des Reiches verhindern, da gemäß
Art. 78 Abs. 1 schon 14 Stimmen dazu ausreichen. Aber gegen-
über den anderen Staaten? Formaljuristisch mag eine solche Maß-
nahme statthaft erscheinen. Ist sie aber auch materiellrechtlich
zulässig? Widerspräche sie nicht der bundesstaatlichen Organisa-
tion des Reiches?
In der Tat gibt es verfassungsmäßige Grundlagen des Rei-
ches, die selbst durch eine formelle Verfassungsänderung nicht
angetastet werden können, weil anderenfalls der bundesstaatliche
Charakter des Reiches eine wesentliche ÄAenderung erleiden
würde!°®, Geändert werden kann nur die Verfassung, nicht aber
das bundesstaatliche Fundament, das Wesen des Deutschen Rei-
ches. Wird an ihm gerüttelt, so wird damit der Weg zum Ab-
bau und zur Neuschöpfung beschritten. Eine Mediatisierung der
Staaten!?”, eine Umwandlung des Bundesstaates in einen Ein-
heitsstaat?5®, tangiert die wesentlichen Grundlagen des Reiches,
bedeutet Untergang des jetzt bestehenden Reiches und Gründung
eines ganz neuen Staatswesens. Aber nicht nur eine völlige Zer-
störung, sondern auch ein leichtes Abbröckeln an den bundes-
staatlichen Grundlagen des Deutschen Reiches kann nicht Gegen-
stand einer Verfassungsänderung sein. Schon eine Beeinträchti-
gung des äußeren Bestandes, der räumlichen Erscheinungsform der
zum Bundesstaat verschmolzenen Einzelstaaten durch den ÖOberstaat
steht im Widerspruch mit dem Wesen eines bundesstaatlich auf-
gebauten Staatswesens. Es ist das Recht und die Pflicht des
Oberstaates, seine Gliedstaaten zu schützen und in ihrem Bestande
156 MEYER-AnscHürz $ 1641°.
187 Treffend ZoRN I, 136: „Die Existenz der Einzelstaaten steht nicht
zur Disposition des verfassungsmäßigen Staatswillens des Reiches, denn dieses
beruht auf der Existenz der Einzelstaaten.‘‘ Vgl. auch MEYER-AnscHÜTZz
8 164 1°.
158 ZORN in Annalen des DR. 1884, 481 ff.; Staatsrecht I. 137. MEYER-
AnscHÜUTz $ 16418,