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Rechtslehren. Hier steht im Mittelpunkt die Bestimmung der
Rechtsnatur für den betreffenden Stoff und was sich hieraus für
die anzuwendenden Rechtssätze ergibt. In dieser Hinsicht drängt
sich für das deutsche Militärversorgungsrecht in erster Linie die
Frage auf, ob wir es im wesentlichen mit einem Schadenersatz-
oder mit einem Fürsorgerecht, mit bürgerlichem oder mit öffent-
lichem Recht zu tun haben. Es entsprieht der modernen deut-
schen Rechtslehre und Rechtsanwendung, jede Erscheinung in
ihrer individuellen Eigenart und in ihrem inneren Zusammenhang
mit ihrer Umgebung, besonders in ihrer praktischen Lebens-
äußerung (also physiologisch) zu betrachten und darnach ihren
Rechtscharakter zu beurteilen. Bei solcher Anschauungsweise
stellt sich das deutsche Militärversorgungsrecht als ein Öffent-
liches Fürsorgerecht dar; wenn sich auch in seinem Wesen Züge
des bürgerlichen Rechts nachweisen lassen, so muß doch das nach
Ursprung, Inhalt und Zweck überwiegende Element des öffent-
lichen Rechts diesem Rechtsgebilde sein eigentliches Gepräge
geben. (Siehe das Nähere in $ 7, der von der Rechtsnatur der
Militärversorgung handelt.)
Die Rechtsgrund sätze stellen die Verbindung zwischen jener
untersten und der mittleren Gedankenschichte, und zugleich zwi-
schen Rechtsphilosophie, Rechtswissenschaft und Praxis her. Sie
sind die eigentlichen Träger der Rechtserzeugung und der Rechts-
ergründung. Sie gewährleisten die innere Einheit je innerhalb
der Rechtsdogmatik und der Rechtspolitik, und im Verhältnis
dieser (beiden) letzteren untereinander. Die Rechtsgrundsätze
sind der wichtigste Teil, der eigentliche Grundbau eines Rechts-
systems; ihr Geist durchweht und bestimmt den eigentlichen,
wesentlichen Inhalt eines Rechtsgebiets. Für das deutsche Militär-
versorgungsrecht kommen zuvörderst die rechtlichen und sittlichen
Grundsätze in Betracht, welche hinter den Vorschriften der
88 133, 138, 157, 817, 819, 826 BGBs. stehen: über die Aus-
legung von Willenserklärungen nach ihrem wahren In-