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deutscher Seite bei den Verhandlungen über den Friedensschluß kein Geist
einfinden, in dessen Rauchfang noch jene gemütvolle Lehre vom Krieg als
Rechtsverhältnis aufbewahrt ist. Und wer aufmerksam beobachtet hat,
in welchem Geiste England die von ihm selbst ehemals anerkannten Re-
geln von der effektiven Blockade und der absoluten und relativen Konter-
bande in diesem Kriege geübt und wie es die Irrlehre von der einheit-
lichen Reise zu einem System der Vergewaltigungen an Neutralen miß-
braucht hat, wer dann weiter den Sekundantendiensten, welche die Ameri-
kanische Union in der Zeit ihrer aktiven Neutralität England in dessen
willkürlichem Spiel mit dem Völkerrecht geleistet hat, kritisch gefolgt ist,
der kann TRIEPEL nur zustimmen, wenn er zu dem Schlusse kommt, daß es
nur einen Wegzu einem Völkerrecht mit Meeresfreibeit geben kann, nämlich
die tatsächliche Befreiung der See von der Tyrannei Englands.
Pilety.
Dr. Otto von Gierke, Geh. Justizrat o. ö. Prof. der Rechte an der Univer-
sität Berlin, Unsere Friedensziele. Berlin, Jul. Springer,
1917, 79 S.
Die kleine gehaltvolle Schrift des bekannten Rechtshistorikers und Ger-
manisten ist ein persönliches Glaubensbekenntnis zur Frage der deutschen
Zukunft und ein „Quos ego* den Sozialisten im Gefolge Scheidemanns.
Unter dem Titel „Friedensziele“ sind sowohl die Kriegsziele als auch die
Friedensbedingungen verstanden. Eine erschöpfende Behandlung beider
Gruppen politischer Gedanken ist der Natur der Sache gemäß auch hier
nicht zu erwarten. Verfasser ist sich bewußt, daß vieles, wenn nieht alles
vom schließlichen Ausgang des Kampfes abhängt.
Er geht aus von dem Beschluß der sozialdemokratischen Partei vom
21. April, der den sog. Scheidemannfrieden „ohne Annexionen und Ent-
schädigungen“ fordert und den v. G. einen selbstmörderischen nennt und
aufs entschiedenste ablehnt. Die Kriegserklärung Amerikas und die russi-
sche Revolution habe bei uns einen demokratischen Rausch erzeugt, der
sich zunächst in einem innerpolitischen Ansturm mit der Forderung sofor-
tiger Verwirklichung radikaler Verfassungsvorschläge kundgegeben habe.
v. G. warnt vor Ueberstürzung auch in der Wahlrechtsfrage und lehnt die
Einführung der parlamentarischen Regierungsform mit Hinweisen auf die
üblen Beispiele der westlichen Kulturvölker England, Frankreich, Italien
und Amerika aufs entschiedenste und ohne jede Konzession ab. Auch die
russische Revolution könne uns nicht an dem im deutschen Volk tiefge-
wurzelten monarchischen Gedanken irre machen und zur Demokratie be-
kehren. Für unendlich viel gefährlicher aber als diesen innerpolitischen
Ansturm hält v. G. die Einmischung der Sozialdemokratie und ihrer bürger-
lichen Gefolgschaft in die äußere Politik. In stärksten Worten verurteilt
er die utopische Schwärmerei und den fanatischen Doktrinarismus derGegner