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Prinzip läßt sich für das deutsche Militärversorgungsrecht kurz
der Liebesgedanke bezeichnen, der in der positiven Rechts-
satzung und im Vollzug in die Erscheinung tritt und im wesent-
lichen den sittlich-wirtschaftlichen Charakter und die Rechtsnatur
dieses Rechtszweigs bestimmt. Das Militärversorgungsrecht zeigt
Wesensunterschiede im Vergleich mit dem eigentlichen Versiche-
rungsrecht, mit dem Staatsdienerrecht und mit dem bürgerlichen
Schadensersatzrecht.
Daß die Idee der praktischen, fürsorgenden Nächstenliebe
ganz besonders im öffentlichen Recht seine Wurzel und seine
eigentliche Heimat hat, ergibt sich aus der innersten Natur und
aus dem Zweck des öffentlichen Rechts, das im letzten Grunde
der öffentlichen Wohlfahrt dient. Auf der Grundlage des Liebes-
gedankens erhebt sich‘ die Idee des Rechts — vornehmlich des
öffentlichen Fürsorgerechts — zur Höhe einer Welt- und Lebens-
auffassung, also zu wahrer Philosophie.
Daß es sich beim Militärversorgungsrecht (im engeren Sinne)
in gleicher Weise wie beim Arbeiterversicherungsrecht um öffent-
liches Fürsorgerecht — in der Hauptsache mit wirklichen, in-
stanziell verfolgbaren Rechtsansprüchen und -Verbindlichkeiten —
handelt, läßt die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts und
des Reichsgerichts — vgl. z. B. Entsch. und Mitteil. d. Reichs-
versicherungsamts, Bd. 1, S. 254f.; Entsch. RG. in ZS., Bd. 77,
S. 366f. — unzweifelhaft erkennen. (Vgl. auch AN. des RVA,.,
1914, S. 697, unten, f) — Die Leistungen des öffentlichen Ar-
beiterversicherungsrechts und des Militärversorgungsrechts tragen
niemals und in keiner Beziehung den Charakter der öffent-
lichen Armenpflege — gleichviel, ob es sich um instanziell er-
zwingbare Rechtsansprüche und -Verbindlichkeiten oder um „zu-
lässige* Leistungen oder um Gnadensachen handelt. (Vgl. in
dieser Beziehung $ 118 RVO., welcher lautet: „Leistungen, die
nach diesem Gesetz oder ergänzenden Landesgesetzen gewährt
werden, und die durch den Uebergang des Anspruchs darauf er-