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„8 14“ bereits dann außer Wirksamkeit zu setzen, wenn sie die Geneh-
migung eines der beiden Häuser nicht erhält, so trat hier — wie aus
dem AB. hervorgeht, mit voller Absicht — an Stelle des Reichstags
der ganze Reichsrat mit seinen beiden Kammern. Es wird der „gleich-
lautende Beschluß beider Häuser“ erfordert. Erst wenn es beide ver-
langen, ist die Vdg. außer Kraft zu setzen. Allein so „selbstverständ-
lich“, wie es der Ausschuß hinstellt, ist diese außerordentliche Privile-
gierung des Regierungsverordnungsrechtes vom allgemeinen konstitutio-
nellen Standpunkte nun freilich nicht! Denn wenn nur eines der beiden
Häuser die Aufhebung fordert, so bleibt eben die gesetzvertretende Re-
gelung im Widerspruch mit dem Votum dieses Hauses und anders als
bei den Notverordnungen aufrecht. Die staatsrechtliche Wirkung des
„Verlangens“ vom übereinstimmenden Votum beider Häuser abhängig zu
machen, bedeutet auch in Wahrheit nichts weniger als die im AB. be-
hauptete „rasche Kassationsmöglichkeit“. Und das gleiche gilt natür-
lich von der „Abänderung“ solcher Verordnungen ($ 5, erster Abs.),
wozu die Regierung ebenfalls nur dann verpflichtet ist, wenn es beide
Häuser des Reichsrats wünschen. Aber das allmächtige Gesetz, in dem
beide Häuser sich im vorhinein mit diesem ungesunden Zustande —
gleichsam durch eine actio libera in causa — einverstanden erklärt ha-
ben, kann unzweifelhaft auch dieses und wenn man gerade will, so
bietet sich hier aus dem Gesetze die Konstruktion einer Blankozu-
stimmung jedes der beiden Häuser auch für solche Fälle, in denen
es später selbst gelegentlich anderer Meinung sein sollte. Volenti non
fit injuria! Allein weder diese Konstruktion noch die sie offenbar be-
günstigende begründete praktische Erwägung, daß auch schon die Ab-
lehnung einer einzigen Kammer politisch und dynamisch kaum ohne
Konsequenzen bleiben kann, vermögen die Ausnahmsstellung dieser Re-
gierungsverordnungen ausreichend zu rechtfertigen. Der wahre Grund
kann nur darin liegen, daß man in ihnen eben etwas anderes oder doch
zu mindestens etwas Geringeres gefunden hat als in der mit dem Ge-
setze konkurrierenden Notverordnung, eine res sui generis.
In dieser Annahme wird man durch die zweite weit größere Ano-
malie des Gesetzes bestärkt, das VdgRecht der Regierung auch für die
Zeit, während der Reichsrat versammelt ist, zuzulassen ($ 3, wie oben
zitiert). Diese Bestimmung war übrigens in der Hauptsache nichts an-
deres als die Rezeption der noch immer ohne zeitliche Begrenzung ge-
brauchsfähigen Kaiserlichen Ermächtigung vom 10.X. 1914, welche erst
durch das ErmGes. aufgehoben und — im Interesse der „Fortführung