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der Kriegswirtschaft* (AB. S.2) — durch vollwertige gesetzliche Hand-
haben ersetzt werden sollte. Das Vdg.Recht der Regierung konkurriert
also, während der Reichsrat versammelt ist, bloß mit der Gesetzgebung
und außerhalb dieser Zeit auch noch mit dem Notverordnungsrecht der
Krone und offenbart damit mehr noch als durch seine anderen Merk-
male seine den Bedürfnissen der Kriegszeit geschuldete, nachgiebige,
zwiespältige, aus dem Rahmen der Verfassung völlig heraustretende
Eigenart. Für die Regierung ergeben sich auf diese Weise gewisse
Optionsmöglichkeiten, welche jedoch praktisch von vorneherein sehr be-
grenzt erscheinen. Im Verhältnisse zur Gesetzgebung dürfte sich die
Regierung bei der Option im allgemeinen wohl von den gleichen Ge-
sichtspunkten bestimmen lassen wie vor der gegenwärtigen Parlaments-
ära, da sie noch zwischen dem Notverordnungsrechte der Krone und
der ihr mit der Kais. Vdg. vom 10. X. 1914 delegierten eigenen Ver-
ordnungsgewalt zu wählen hatte. Es werden somit die nämlichen
wechselnden Einflüsse (Tragweite des Gegenstandes, verschiedene Ein-
schätzung je nach dem Verantwortlichkeitsgefühl und politische Ge-
schmacksrichtung) sich geltend machen, wie sie in jenem Zusammen-
hange dargestellt wurde (S. 46f.). Zu diesen Momenten dürfte jetzt im
Verhältnisse zur Gesetzgebung, besonders so lange der Reichsrat ver-
sammelt bleibt, eher noch eine gesteigerte Vorsicht hinzutreten, so daß
.die Regierung im Zweifel den Weg formeller Gesetzgebung sicberlich
bevorzugen wird. Erinnern wir uns nur, daß diesen Verordnungen, die
Macht „ältere Gesetze zu brechen“ und sie auch formell abzuändern,
nicht verbatim verlieben wurde und daher wahrscheinlich von der Re-
gierung unter den Augen des Reichsrats auch gar nicht beansprucht
werden wird. Anderseits dürfte die Regierung freilich vom Notverord-
nungsrecht des $ 14 noch weiter abrücken, an dem ja das ganze Odium
des wenig bemäntelten Absolutismus der ersten Kriegsjahre und schon
der letzten Friedenszeit haftet, als dessen „Feigenblatt“ er gilt. Soll
doch gerade der „$ 14“ durch das ErmGes. in seinem Anwendungs-
gebiet in wirtschaftlicher Hinsicht beschränkt, entlastet, zurückgedrängt
und womöglich ganz zum alten Eisen geworfen werden.
Daß hier so vieles der Praxis überlassen wurde, wäre schlechter-
‚dings ebensowenig denkbar gewesen, wie die angeführten starken Ano-
malien dieses Verordnungsrechtes, wenn man in diesen Verordnungen
.eben nicht — wie schon mehrfach angedeutet — eine leichtere Ware
erblickt hätte als in den sakralen Notverordnungen. Wie soll es denn
‚diesen Verordnungen möglich sein, einerseits jeden Eingriff in die vor-