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ob es nur Rechtsfragen sein dürften, die vor ein Schiedsgericht gehörten,
oder alle nach den Prinzipien des Rechts zu entscheidende Fragen (Lam-
MAsCH S. 64).
So ist denn auch ein allgemeines, obligatorisches Schiedsgericht
bislang nicht geschaffen, vielmehr sind nur von verschiedenen Staaten
Schiedsverträge mit dem angedeuteten allgemein gefaßten Umfang und der
besprochenen Einschränkung (Ehre, Lebensinteressen) geschlossen worden.
IV. Hier ist nicht der Raum — und es ist auch wohl nicht unsere
Aufgabe —, in eine eingehende Würdigung aller Spezialkapitel (das Ver-
fahren, Schiedsspruch, Realisierung desselben, Rechtsmittel) des vorliegen-
den Werkes einzutreten. Sie enthalten sämtlich reiches Material, auch in
tatsächlicher Hinsicht, und lassen aus den reichen Erfahrungen, die dem
Verfasser aus eigener Mitwirkung zur Verfügung stehen, wertvolle Schlüsse
ziehen für die spätere Arbeit der Völkerkonferenzen. Sie werden hierfür
um so wertvoller sein, als das von LAMMASCH bearbeitete Gebiet noch nicht
auf gefestigten Fundamenten ruht und als noch mancherlei Schwierigkeiten
zu überwinden sein werden, bevor die Völkerarbeit in dieser Frage er-
sprießliche Ergebnisse zeitigt. Um so schätzenswerter sind deshalb die
Beiträge des Verfassers zu dieser Pionierarbeit.
Nur zu einem Kapitel des Werks, dem über das Kompromiß, sei seiner
allgemeinen prinzipiellen Bedeutung wegen noch ein Wort gesagt. Rein
materiell vermag der Unterscheidung zwischen eigentlichem und un-
eigentlichem Kompromiß keine allzugroße Bedeutung beigemessen zu wer-
den, wenngleich die rechtliche Konstruktion dieser Begriffe unzweifelhaft
ihren formal-juristischen Wert besitzt. Die Schwierigkeiten und Meinungs-
verschiedenheiten zu diesem Punkt lagen und liegen deshalb, wie sich
auch bei LAMMAscH deutlich zeigt, auf rein konstruktivem Gebiet. Einer-
lei, ob isolierte oder institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, ob in einem
Weltvertrag oder einem bloßen Staatsvertrage vereinbarte — auch Lam-
MASCH und die seine Meinung teilen, müssen zugeben, daß für das In-
Funktion treten des antizipativ festgelegten Schiedsgerichts (also des institu-
tionellen) derselbe Faktor materiell ausschlaggebend ist wie für das im
konkreten Fall vereinbarte: der Wille und die Anerkennung der beteilig-
ten Staaten!
V. Nach allem: der ganze Gedanke völkerrechtlicher Schiedsge-
richtsbarkeit wird erst dann vollen Wert erlangen, wenn in ihm auch
die letzten Konsequenzen gezogen sind, wenn man also mit ihm den Krieg
überhaupt auszuschalten vermag. Solange die Ueberzeugung der Staaten
dieses Stadium noch nicht erreicht hat, kann dem Schiedsverfahren für das
Völkerrecht wirklich erhebliche Bedeutung noch nicht zukommen. Solange
schwerwiegende politische Fragen doch noch mit dem Schwert entschieden
werden müssen, solange also das Schiedsgericht nur für kleinere neben-
sächlichere Streitfälle Zuständigkeit besitzt, ist dem umfassenden Völker-