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Rechtsphilosophie*) vonnöten. Ohne diese Grundbedingung hat es keinen
Sinn, an Einzelnkonstruktionen zu schreiten oder dieselben (resp. ihre „Halt-
barkeit“) an der Praxis dieses oder jenes positiven Rechtes zu erproben;
denn hiedurch wird die allgemeine Konfusion womöglich nur noch erhöht.
Es ist daher zu bedauern, daß die meisten Schriftsteller gerade diesen prin-
zipiellen Fragen aus dem Wege gehen, indem sie behaupten, daß auf die-
selben „nicht eingegangen werden kann“ (vgl. die LAYE&sche Anmerkung
auf S. 19), daß für sie „an diesem Orte kein Raum sei“ u. ähnl. Der Re-
ferent hatte z. B. bei der Lektüre der durchaus trefllichen Ausführungen
LAYERs auf S. 17 u. 18 das Gefühl, daß der Verfasser wohl imstande ge-
wesen wäre, auf derartige prinzipielle Fragen mit Aussicht auf Erfolg ein-
zugehen.
Die Inkonsequenz, welche allen üblichen Konstruktionen des Vertrages
a contr. der Vereinbarung resp. des Gesamtaktes, sowie den geläufigen
Theorien vom Verwaltungsakt (hiezu wäre als zivilprozessuales Gegenstück
die Lehre vom Gerichtsurteil anzuführen) anhaftet, hat ihren eigentlichen
Grund in der kausalen Betrachtungsweise. Subjektive Pflichten
und Rechte resp. Rechtsverhältnisse werden als „erzeugt“, „bewirkt“ usw.,
kurz als Wirkung einer Ursache betrachtet. Diese bewirkende Ur-
sache wird dann in verschiedenen „Akten* gesucht: einmal ist es das
Rechtsgeschäft des Privaten (die Willenseinigung im Vertrage usw.), das
anderemal eine Willensemanation der Behörde (Verwaltungsakt, Gerichts-
urteil), mitunter wohl auch eine bloße Tatsache a contr. einer Willens-
emanation (z. B. ein Blumentopf fällt vom offenen Fenster, verletzt einen
Passanten und „erzeugt“ somit ein Schadenersatz-Rechtsverbältnis); schließ-
lich wird in der Rechtsnorm resp. Rechtsordnung eine Art causa remota
des betreffenden „erzeugten“ Rechtsverhältnisses erblickt, da man einsieht,
daß ohne diese das Rechtsverhältnis nicht „entstanden“, „bewirkt“, „er-
zeugt worden“ wäre. Neben den erwähnten „erzeugenden® Emanationen
gibt es auch solche, die nichts „erzeugen“, sondern nur „deklarieren* —
und dies gibt den Anlaß zu der durchaus unklaren Lehre von den kon-
stitutiven und deklaratorischen Akten, die, wie es schon
heutzutage in der Rechtswissenschaft Mode ist, von den Publizisten und
Z vilisten ganz unabhängig von einander ausgebaut wird, und daher zu
ganz disparaten Ergebnissen führt. (Man vgl. z. B. die WachHsche Lehre
mit den Theorien von O. MAYER, KORMANN, TEZNER usw.; diese Diskre-
panz mit dem Unterschiede zwischen dem Öffentlichen und privaten Recht
erklären resp. entschuldigen zu wollen, ist zwar ein an sich harmloses
Vergnügen, entbehrt aber insolange der Beweiskraft, ala es nicht gelingt,
auf diesen Unterschied des näheren „einzugehen®.)
Dem hier gerügten kausalen Gedankengange gegenüber sei folgen-
des dem Leser zur geneigten Erwägung anheimgestellt: Die kausale
Betrachtungsweise hat innerhalb der theoretischen Rechtserkenntnis eben-