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Beachtung ihnen lästiger völkerrechtlicher Vorschriften freizu-
machen, kennen gelernt haben. Ich halte es bei der Zahl hoher
juristischer Intelligenz, die auf der Konferenz versammelt war,
für ausgeschlossen, daß die Mehrdeutigkeit der Klausel nicht er-
kannt worden ist. Wenn ich auch Spuren davon nicht habe fin-
den können, so kann ich mir doch nicht denken, daß bei dem so
außerordentlich erweiterten Umfange der Völkerrechtsgemeinschaft
auf der Konferenz von 1907 (45 Staaten gegen 26 auf der Kon-
ferenz von 1899) sich diese Frage nicht von selbst geltend ge-
macht haben sollte, mehrte sich doch damit die Gefahr außer-
ordentlich, daß das Werk durch irgend einen kleinen Staat zu Falle
gebracht wurde, ja daß irgend ein kleiner Staat von einer Groß-
macht, die es nützlich fand, der Welt als Kulturträger und Ja-
sager auf der Konferenz zu erscheinen, als Vorspann genommen
wurde, um nachträglich ihren abweichenden Willen zu er-
reichen.
Müssen die Erfahrungen dieses Krieges in der Tat arg-
wöbnisch machen, so kommt hinzu, daß sich Anhaltspunkte genug
dafür finden, wie die Haltung der Mächte auf der Konferenz durch
Tagesereignisse, innere Fragen u. dgl. bestimmt war, die weitab
von dem lagen, was der Gesetzgeber im Haag sich zur Aufgabe
gestellt hatte, und erkennen lassen, wie gering noch in der Völker-
rechtsgemeinschaft das Gemeinschaftsgefühl und der gesetzgebe-
rische Wille sind. So berichtet der österreichische Delegierte
Professor LAMMASCH, daß die Eröffnungsrede des russischen Bot-
schafters NELIDOW über die internationalen Schiedsgerichte ganz
erheblich weniger entgegenkommend ausgefallen sei, als man all-
seitig angenommen hätte, weil die Haltung Rußlands durch die
eben erfolgte Auflösung der Duma gegen die Schiedsgerichtsbar-
keit ungünstig beeinflußt gewesen wäre. Derselbe Delegierte
schildert, wie sich auf der 2. Konferenz Rumänien als Gegner
gewisser schiedsgerichtlicher Grenzfragen gezeigt habe, weil diese
im Zusammenhange mit der erhofften Millionenerbschaft des in
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