Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

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dem Worte, die verbreitetste Glaubensrichtung gegenüber dem 
Völkerrecht sei der Nihilismus. 
Besonders bedenklich für die Zukunft völkerrechtlicher Ge- 
setzgebung ist das Anwachsen der Völkerrechtsgemeinschaft. Man 
vergegenwärtige sich nur, was es bedeutet, daß auf der Hanger 
Konferenz von 1899 26 und auf der von 1907 45 Staaten ver- 
treten waren, daß darunter bei der ersten Konferenz 8, bei der 
zweiten 21 Kleinstaaten und unter diesen wieder neu hinzusekom- 
men, 10 amerikanische Staaten waren. Und jeder einzelne der 45 
Staaten setzte mit dem Zustandekommen des Werks Recht, nicht 
bloß für sieh, sondern auch für die anderen Staaten und für diese 
wieder in Beziehung auf sich selbst; jeder einzelne Staat souve- 
rän; jeder einzelne mit gleicher beratender und beschließender 
Stimme; jeder einzelne womöglich imstande, durch Nichtratifizie- 
rung das ganze Werk zu Falle zu bringen; eine Illustration des 
durch sein Alter immer noch nicht richtiger gewordenen Glau- 
benssatzes von der Gleichheit Ungleicher. Jede einzelne der 
Vertragsmächte untersteht sich, bei ihrer gesetzgeberischen Mit- 
arbeit, zu wissen, daß dieselbe Norm, deren Beachtung sie für 
den eigenen Bereich gesichert oder sichern zu können glaubt, 
auch für den andern dieselbe Kraft haben werde. Sie spricht mit 
ihrer Zustimmung zu einem vorgeschlagenen Rechtssatz das Ver- 
trauen in die gleiche Kulturaufffassung, die Erwartung gleichen 
normgemäßen Handelns der andern aus. Der Staat, der hierin fehl- 
greift, indem er andern Vertragsmächten eine Vertrags- und Ge- 
setzestreue zutraut, die sie in Wahrheit nicht besitzen, gefährdet 
damit die eigenen Staatsangehörigen, die im Vertrauen auf Gegen- 
seitigkeit die völkerrechtiiche Norm beobachten und danach die 
Erfahrung machen müssen, daß der Gegner gar nicht daran denkt. das 
gleiche zu tun. Der also fehlsreifende Staut, der so gezwungen 
ist, die völkerrechtliche Norm, die er selbst mit geschaffen hat, 
im Wege der Selbsthilfe zu durchbrechen, untergräbt so, obgleich 
er nur sein Recht wahrnimmt, die Rechtsüberzeugung, ohne die,
	        
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