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doch auch die Wiener Akademie der Wissenschaften gar nichts wissen
will, insofern sie nur Rechtshistoriker und höchstens noch Rechtsphiloso-
phen einläßt. Das ist gewiß traurig, ändert aber nichts daran, daß auch
der Theoretiker, welcher auch der Praxis dienen will, seine Sache metho-
disch kaum wesentlich anders anfassen kann. Er begnügt sich nach Um-
ständen, einen Standpunkt „wohl für den richtigeren* zu finden (S. 706),
ohne den absoluten allein seligmachenden verkünden zu wollen. Ent-
sagende Erkenntnis von der voraussetzungsvollen geschichtlichen Bedingt-
heit aller theoretisch-praktischen Rechtswissenschaft, Relativismus in Ein-
zelheiten — „es gibt hier keine ewigen Wahrheiten“, ruft uns O. M., im
Sachenrechte zu (S. 81) — ist vielleicht mit ein Motiv für seine tief inner-
liche Ironie und sicher das Geheimnis seines großen Erfolges.
Wer sich aber von solchen Schrullen bei der Bearbeitung der zweiten
Auflage eines längst eingelebten Systems glücklicherweise frei weiß — ne
bis in idem —, wird mit ungetrübter Anerkennung an die vorliegende Be-
arbeitung herantreten müssen, Schon der erste 1914 erschienene Band,
der verhältnismäßig weniger grundsätzliche Aenderungen aufweist als der
zweite und daher nachträglich kürzer behandelt werden kann, offenbart
uns die wichtigsten Gesichtspunkte der tiefgehenden Umarbeitung. Da
O. M. mit Recht „jetzt manches als anerkanntes Gemeingut voraussetzen
darf, was er damals breiter anzuempfehlen zu müssen glaubte“, hat die
Darstellung an Kürze und Geschlossenheit gewonnen. Was sie inhaltlich
auszeichnet. ist die noch entschiedenere Durchführung des Rechtsstaats-
prinzips, der jetzt die letzten, speziell noch dem Polizeiwesen anhaftenden
Spuren von Naturrecht zum Opfer fallen. Schärfere Linienführung macht
sich auch in der in der Zwischenzeit auch wmonographisch behandelten
Fiskuslehre geltend, deren sich O. M. mit großer Kunst bedient, um
die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts und seinen heutigen Zu-
stand in großzügiger Synthese abzuleiten. Das gleiche gilt auch von seiner
praktisch bestechenden Lehre von der Rechtskraft in Verwaltungssachen
(S. 169) und vielem andern. Von der Umarbeitung infolge Aenderung der
Gesetzgebung betroffen sind bsp. alle Teile, auf welche das BGB. Einfluß
üben mußte, hier insbesondere das schöne von Grund aus erneuerte Kapitel
über die „Haftung für rechtswidrige Amtshandlungen* und der finanzrecht-
liche Teil (jetzt 72 gegen früher 105 S.), worin der nur lose zusammen-
hängende erste Unterabschnitt (Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt)
entfiel zugunsten einer größeren Geschlossenheit des jetzt schärfer ge-
gliederten Stoffes mit ausnehmend viel neuem Material aus Gesetzgebung
und Schrifttun.
Auch im jüngst erschienenen zweiten Teil, der umgekehrt beträchtlich
stärker ausfiel und von 485 auf 737 S. angewachsen ist, zeigt sich die
durchgreifende sorgfältige Feile der Darstellung wenn möglich noch verstärkt.
Innerhalb der im ganzen bis auf den Anhang über internationales und