Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

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gibt, die Verfassung, wie gleich vermerkt sei, in einem materiellen 
Sinn®. Die Rückbeziehbarkeit auf eine Verfassung ist also das 
Kriterium der Staatseinheit. Das schließt aber doch nicht aus, 
daß ein einzelner — auch im juristischen Sinne einzelner — Staat 
mehrere Verfassungen® erlebt hat. Nicht jeder Wandel der Ver- 
fassung, nicht einmal jede materiell so tief greifende Verfassungs- 
änderung, welche sich als Neuerung der Staatsform darstellt, also 
z. B. der Uebergang vom Absolutismus zur konstitionellen Monar- 
chie (ein praktisch häufig begangener Weg) oder auch das Gegen- 
stück dieser Erscheinung, der praktisch seltenere Uebergang !° 
von der konstitutionellen zur absoluten Regierungsform, braucht 
an das Wesen und damit an die Identität des Staates. zu rühren. 
Verschiedene Verfassungsformen, die logisch mitsammen verbunden, 
die gedanklich auseinander ableitbar sind, repräsentieren auch im 
Rechtssinne trotz ihrer Mehrheit einen einzigen Staat. 
Der Absolutismus kann unter Umständen zusammen mit dem aus 
ihm hervorgehenden Konstitutionalismus trotz des sicherlich tief 
greifenden materiellen Unterschiedes als Verfassungsform eines 
einzigen Staates und damit wohl auch, wie sich noch zeigen soll, 
als eine einzige Verfassungsform beurteilt werden, wenn sich die 
konstitutionelle Verfassung als Oktroi des absoluten Monarchen 
darstellt. Dies ist die Krone seines Herrscherrechtes, daß er für 
sich und für immer auf dieses Recht verzichten und für alle Zu- 
kunft ein Organ schaffen kann, das (unter Umständen auch mit 
ihm) die bisher ihm allein zugestandenen Herrscherrechte ausübt. 
Die Aenderung der absoluten Verfassung in ihr Gegenteil ist nur 
eine der Möglichkeiten, die aus einer wirklich absoluten Ver- 
  
  
® Manches, ja mitunter vieles, was Inhalt einer Verfassung im formellen 
Sinn ist, stellt sich materiell nicht als notwendiger Verfassungsbestandteil 
dar, sondern ist durch andere Bestimmungen der Verfassung bedingt. 
®° Mehrere Verfassungen — für eine auf den Inhalt gerichtete Be- 
trachtung; eine Verfassung, wenn man den Blick auf die Form richtet. 
10 Häufig genug ereignet sich allerdings auch dieser Fall, aber nicht 
auf verfassungsmäßigem Wege.
	        
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