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Voraussetzung zu machen, daß eine einzige, einheitliche Rechts-
ordnung gegeben sei, andererseits dem Satze die Fähigkeit zuzu-
schreiben, daß er — und zwar gewissermaßen aus sich heraus,
als „rechtslogisches Prinzip — diese einzige, einheitliche Rechts-
ordnung schaffe. Auch nach der KELSENschen Anweisung für
den Gebrauch des Satzes der lex posterior kommt man unter Um-
ständen in das Gebiet einer fremden Autorität, die durch nichts
als eben diesen „aus sich wirkenden“ Interpretationsgrundsatz mit
der Autorität des Ausgangspunktes verknüpft werden könnte, ist
aber damit schon vom Ausgangspunkt, von der Vorausset-
zung der einen Autorität abgekommen.
KELSEN macht zwar — vielleicht zum erstenmale — bewußt
und mit aller Entschiedenheit die Voraussetzung, daß man sich
im Bereiche derselben Autorität, mit einem anderen Worte, in
einer Rechtseinheit bewegen müsse, um angesichts zweier einander
widersprechender Gesetze den Satz von der lex posterior anwen-
den zu können, verschweigt jedoch, was angesichts einer solchen
Sachlage — zwei einander widersprechende Gesetze! — das Ur-
teil bedinge, ja gestalten könne, daß sie von derselben Au-
torität ausgegangen seien, daß a priori — noch Rechtseinheit vor-
liege. Was erlaubt uns, angesichts einer Rechtsänderung an-
zunehmen, daß es sich noch um dieselbe Rechtsordnung,
daß es sich wirklich bloß um die Ausfüllung der alten Form mit
neuem Inhalt, also um eine bloße materielle Aenderung bei for-
maler Identität und nicht um eine Veränderung der Form, um
einen Rechtsbruch handelt? Selbst wenn die rechtsetzenden Fak-
toren Recht — was sich prima facie als solches gibt — gesetzt
haben, das zu einem bisher in Geltung gestandenen Rechtssatze
in Widerspruch steht, oder gar wenn die verfassungsmäßigen Ge-
setzgebungsorgane eine Verfassungsreform beschlossen haben —
bedeutet das im Zweifel nicht ein Heraustreten aus dem einheit-
lichen Rechtssysteme ?
Soll denn, so wird man mir einwenden, der, der berufen