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wieder in einem (notwendig unvollkommenen) Bild gesprochen —
bald Stillstand, bald Stürze zu sehen. Stillstand, so lange man
ım Bereich der formal identischen, wenn auch materiell noch so
geänderten Verfassung steht; Stürze, sobald man dieses Bereich
verläßt, was keineswegs mit einer irgendwie ansehnlichen Verfas-
sungsänderung verbunden zu sein braucht.
An Stelle der herrschenden polyzentrischen versuchen wir eine
monozentrische, wenn man will, monistische Konstruktion zu setzen;
für diese ist, wenn die Abänderbarkeit ausdrücklich vorgesehen
wurde, ein zeitlich und inhaltlich noch so weit abstehendes End-
produkt der Verfassungsgeschichte in deren Anfang bereits ge-
setzt; für sie ist aber auch beim Mangel einer solehen Anord-
nung der nächste kleinste Schritt vom Ausgangspunkte weg un-
vollziehbar, verfassungsrechtlich unkonstruierbar. Für sie sind
eben so viele, aber auch nur so viele Staaten im Rechtssinn einer
historisch-politischen Staatsindividualität zugeordnet, als Verfas-
sungszentren unterschieden werden können und müssen.
B. Besonderer Teil.
VI. Der österreichische Staat im historisch -politi-
schen und im rechtlichen Sinne.
Schon wiederholt haben unsere allgemeinen Ausführungen
die Gelegenheit geboten, darauf hinzuweisen, wie weit die Staat-
lichkeit Oesterreichs im rechtlichen Sinn von jener in des Wortes
historisch-politischer Bedeutung absteht. Die rechtliche Staats-
einheit, die dem Jugendalter des historisch-politiseben Staatsindi-
viduums entspricht, steht dem Oesterreich von heute beziehungs-
los, ja geradezu — und zwar gerade zufolge dieser Beziehungs-
losigkeit — fremd gegenüber. Die Brücke der Rechtseinheit
wurde zum wiederholtenmale abgebrochen.
Sehen wir von den rechtlichen Wandlungen des absoluten
Staates ab, der immerhin vielleicht noch als ein Staat in sich be-