Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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hat, wie das zutreffen müsste, wenn drei einander gleich- 
geordnete Gewalten beständen, sondern auch hier als eine streng 
einheitliche aufzufassen ist, als deren Träger, je nach den von 
der Konstitution ihnen zugesprochenen Befugnissen, die beiden 
Häuser des Kongresses einerseits und der Präsident andererseits, 
theils selbständig, theils in Verbindung mit einander handelnd, 
anzusehen sind, und dass also die „ausführende“* wie die „richter- 
liche Gewalt“ lediglich die Aufgabe haben, die von der „Re- 
gierung“ ausgehenden Akte zu praktischer Bethätigung zu bringen. 
Für mich galt es vornemlich, den Nachweis zu erbringen, dass der 
Grundsatz von der Untheilbarkeit der Souveränetät, trotz et- 
waiger, anscheinend entgegenstehender Bestimmungen in einer 
Verfassungsurkunde dennoch unter Umständen sehr wohl mit 
allen Einzelheiten derselben in Einklang gebracht werden 
kann, und als Beispiel dafür scheint die amerikanische Konsti- 
tution besonders geeignet, zunächst weil sie überhaupt viel 
auch anderwärts Nachahmenswerthes enthält, sodann aber be- 
sonders, weil gerade sie, nach der Absicht ihrer Verfasser, dazu 
bestimmt war, dem Grundsatze von der Untheilbarkeit der Sou- 
veränetät in gewisser Weise entgegenzuarbeiten, dieser Zweck 
aber doch nicht erreicht worden ist, insofern, als eine vorurtheils- 
lose Betrachtung die ganze Struktur dieses Gesetzgebungswerkes, 
so, wie es abgeschlossen vorliegt, mit jenem Grundsatze für sehr 
wohl vereinbar erklären kann. Dass sich dabei theilweise eine 
Auffassung des Unionsstaatsrechtes ergeben muss, die den bisher 
in der amerikanischen Literatur und Judikatur zu Tage getretenen 
Ansichten in sehr scharfer Weise widerspricht, ist selbstverständ- 
lich. Trotz dieser Methode aber oder vielmehr nur unter An- 
wendung derselben dürfte sich das in Wahrheit geltende Recht 
der Union in befriedigender Weise entwickeln lassen, denn das 
geltende Recht ist, wie bereits früher hervorgehoben wurde, 
nicht immer dasjenige, worauf der Gesetzgeber sein Augen- 
merk gerichtet hat, sondern dasjenige, was, nach der gegen- 
wärtigen Lehre der Wissenschaft, als Inhalt des gegebenen 
Gesetzes erscheint; und ungerechtfertigt ist es wohl, zu be- 
haupten, dass, wer sich auf diesen Standpunkt stellt, lediglich 
ganz willkürliche Phantasiegemälde dessen liefert, was Recht sein 
oder nicht sein sollte, aber keinesfalls angeben kann, was in 
Wahrheit geltendes Recht ist. Gerade umgekehrt: nur auf die an-
	        
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