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der Gerichtsbarkeit bestimmen. Die Richter des Reichsgerichts sind
also ebenso wie die Beamten der Reichsanwaltschaft Reichsbeamte
und sie büssen diesen Charakter nach bekannten Grundsätzen des
Reichsstaatsrechts dadurch nicht ein, dass die verbündeten Re-
gierungen ein Vorschlagsrecht haben ®). Ohne einen bestimmten
Vorschlag des Bundesrathes kann also kein Richter am Reichs-
gerichte ernannt werden, dagegen begründet der Vorschlag einer
bestimmten Persönlichkeit absolut keine Nothwendigkeit für den
Kaiser, derselben auch die Ernennung zu ertheilen.
Auf dem Gebiete des Strafrechts steht dem Reichsgericht
die Revision gegen die Urtheile der Schwurgerichte und der
Strafkammern zu, sofern im letzteren Falle das Rechtsmittel nicht
lediglich darauf gestützt wird, dass ein Landesgesetz verletzt ist.
Das Reichsgericht ist also zuständig, wenn auch neben der Ver-
letzung des Reichsrechts die des Landesrechts behauptet
wird. Endlich steht dem Reichsgericht die Revision gegen die
von den Strafkammern in zweiter Instanz erlassenen Urtheile zu,
wenn es sich um die Verletzung der Vorschriften über die Er-
hebung öffentlicher Abgaben und Gefälle handelt, die in die
Reichskasse fliessen, und die Staatsanwaltschaft die Entscheidung
des Reichsgerichts beantragt. Die Ueberlegung, dass gerade in
Ansehung der Vorschriften über die Erhebung von Gefällen für
den Reichsfiskus eine einheitliche Rechtsprechung ungemein
wünschenswerth ist, hat den Gesetzgeber dazu geführt, das Reichs-
gericht auch zum Gerichte dritter Instanz zu bestellen. Ausserdem
kompetirt ihm die Entscheidung über Berufung gegen Straf-
urtheile der Konsulargerichte ?). Wie sehr man auf die Sicherung
der einheitlichen Judikatur in Strafsachen bedacht war, zeigt die
Schwierigkeit, welche es kostete, die Annahme des $ 8 des Ein-
führungsgesetzes durchzusetzen, nach welchem die Bundesstaaten
mit mehreren Oberlandesgerichten die Aburtheilung der zur Kom-
petenz derselben gehörigen Strafsachen einem Oberlandesgerichte
6) Lasann, Das Staatsrecht des deutschen Reichs in MARQUARDSEN’s
Handbuch des öffentlichen Rechts I. 2, S. 62.
) Nach dem vom Reichstage angenommenen Entwurfe eines Gesetzes
über die Einführung der Berufung in Strafsachen — Antrag REICHENSPERGER —
steht dem Reichsgericht die Revision gegen die Urtheile der Berufungs-
kammern zu, sofern das Rechtsmittel nicht lediglich auf die Verletzung
einer landesgesetzlichen Rechtsnorm gestützt wird.