Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 109 — 
der Gerichtsbarkeit bestimmen. Die Richter des Reichsgerichts sind 
also ebenso wie die Beamten der Reichsanwaltschaft Reichsbeamte 
und sie büssen diesen Charakter nach bekannten Grundsätzen des 
Reichsstaatsrechts dadurch nicht ein, dass die verbündeten Re- 
gierungen ein Vorschlagsrecht haben ®). Ohne einen bestimmten 
Vorschlag des Bundesrathes kann also kein Richter am Reichs- 
gerichte ernannt werden, dagegen begründet der Vorschlag einer 
bestimmten Persönlichkeit absolut keine Nothwendigkeit für den 
Kaiser, derselben auch die Ernennung zu ertheilen. 
Auf dem Gebiete des Strafrechts steht dem Reichsgericht 
die Revision gegen die Urtheile der Schwurgerichte und der 
Strafkammern zu, sofern im letzteren Falle das Rechtsmittel nicht 
lediglich darauf gestützt wird, dass ein Landesgesetz verletzt ist. 
Das Reichsgericht ist also zuständig, wenn auch neben der Ver- 
letzung des Reichsrechts die des Landesrechts behauptet 
wird. Endlich steht dem Reichsgericht die Revision gegen die 
von den Strafkammern in zweiter Instanz erlassenen Urtheile zu, 
wenn es sich um die Verletzung der Vorschriften über die Er- 
hebung öffentlicher Abgaben und Gefälle handelt, die in die 
Reichskasse fliessen, und die Staatsanwaltschaft die Entscheidung 
des Reichsgerichts beantragt. Die Ueberlegung, dass gerade in 
Ansehung der Vorschriften über die Erhebung von Gefällen für 
den Reichsfiskus eine einheitliche Rechtsprechung ungemein 
wünschenswerth ist, hat den Gesetzgeber dazu geführt, das Reichs- 
gericht auch zum Gerichte dritter Instanz zu bestellen. Ausserdem 
kompetirt ihm die Entscheidung über Berufung gegen Straf- 
urtheile der Konsulargerichte ?). Wie sehr man auf die Sicherung 
der einheitlichen Judikatur in Strafsachen bedacht war, zeigt die 
Schwierigkeit, welche es kostete, die Annahme des $ 8 des Ein- 
führungsgesetzes durchzusetzen, nach welchem die Bundesstaaten 
mit mehreren Oberlandesgerichten die Aburtheilung der zur Kom- 
petenz derselben gehörigen Strafsachen einem Oberlandesgerichte 
6) Lasann, Das Staatsrecht des deutschen Reichs in MARQUARDSEN’s 
Handbuch des öffentlichen Rechts I. 2, S. 62. 
) Nach dem vom Reichstage angenommenen Entwurfe eines Gesetzes 
über die Einführung der Berufung in Strafsachen — Antrag REICHENSPERGER — 
steht dem Reichsgericht die Revision gegen die Urtheile der Berufungs- 
kammern zu, sofern das Rechtsmittel nicht lediglich auf die Verletzung 
einer landesgesetzlichen Rechtsnorm gestützt wird.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.