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ausschliesslich zuweisen können. Nachdem derselbe in erster
Lesung der Kommission abgewiesen worden war, wurde er in
zweiter wieder hergestellt; der Kommissionsbericht erwähnt, dass
die Befürchtung laut geworden sei, durch diese Bestimmung
werde die Ausbildung partikulären Strafrechts begünstigt und die
gleichheitliche Anwendung des Reichsrechts sehr benachtheiligt
werden. Ausserdem lege man durch sie den Bundesstaaten die
Errichtung kleiner Oberlandesgerichte nahe, was wiederum wegen
der Errichtung eines obersten Landesgerichts seine Bedenken habe.
Dem gegenüber hatten die Bundesregierungen betont, dass die
einheitliche Rechtsprechung in Strafsachen für die Partikular-
staaten nicht minder nothwendig sei wie für das Reich und die
Vorschrift werde die gleichmässige Entscheidung bei Fragen des
Landesstrafrechts sichern. Die Autorität des Reichsgerichts werde
dabei in keiner Weise geschädigt und sie werde eine partiku-
laristisch-verknöcherte Ausbildung des Landesstrafrechts zu ver-
hüten wissen. Die Kommission schloss sich schliesslich diesen
Ausführungen an und nahm die Bestimmung in das Einführungs-
gesetz auf. Die vorausgehenden Berathungen sind aber sehr
bezeichnend für die grosse Wichtigkeit, welche die Kommission
darauf legte, dass in Strafsachen die Wahrung der einheit-
lichen Rechtsprechung absolut nicht gefährdet werden dürfe.
Es ist begreiflich, dass die Kommission gerade die strafrechtliche
Einheit der Judikatur so sehr in den Vordergrund stellte; gilt es
doch gerade auf dem Gebiete des Strafrechts, wo eine einheitliche
Kodifikation schon seit längerer Zeit besteht, die Möglichkeit zu
beseitigen, dass diese Einheit in der Praxis zu einer Verschieden-
heit werde.
Auf anderen Gründen als denen der einheitlichen Rechts-
auslegung beruht die Kompetenz des Reichsgerichts, als Ge-
richtshof erster und letzter Instanz die Fälle des Hoch- und
Landesverrathes, begangen gegen Kaiser und Reich, abzuurtheilen.
Die Reichsverfassung hatte in Art. 75 die Bestimmung aufge-
nommen, dass für die Aburtheilung der gegen das Reich ge-
richteten Unternehmungen, welche, gegen die einzelnen Bundes-
staaten gerichtet, als Hoch- oder Landesverrath zu qualifiziren
wären, das Oberappellationsgericht in Lübeck in erster und letzter
Instanz kompetent sein solle.
Es war eine nothwendige Folge der neuen Justizorganisation,