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die schwersten Angriffe gegen die Rechtsgüter der schwurgericht-
lichen Kompetenz unterstellt sind; allein diese Ausnahme wurde
durch die Unmöglichkeit gerechtfertigt, die Idee der Reichs-
geschworenen praktisch zu verwirklichen. Ebenso wenig kann
um desswillen die Bezeichnung des Ausnahmegerichtshofs
als begründet erachtet werden, weil gegen sein Urtheil kein
weiteres Rechtsmittel mehr zulässig ist. Auch gegen die Urtheile
der Schwurgerichte ist ein Rechtsmittel wegen unrichtiger An-
wendung des materiellen Rechts seitens der Geschworenen nur
im höchst beschränkten Umfange zulässig ?). Im Uebrigen steht
aber das bei dem Reichsgericht in den erwähnten Untersuchungen
gehandhabte Verfahren vollständig unter den Vorschriften des
gemeinen Rechts. Zu der Bejahung der Schuldfrage ist dieselbe
Stimmenmehrheit nothwendig wie bei den Landgerichten, die
Garantien für den Angeklagten und die Kautelen zum Schutze
gegen ungerechte Verurtheilung sind dieselben wie bei den land-
gerichtlichen Untersuchungen. Es existiren keinerlei besondere
Vorschriften über die Untersuchungshaft, die Beschränkung der
Vertheidigung u. s. w., lauter Kennzeichen eines Ausnahme-
gerichtshofs. Die Richter, welche über die Verbrechen zu ur-
theilen haben, werden auch nicht von Fall zu Fall durch Ver-
fügung der Justizaufsichtsbehörde bestellt, etwa für die Dauer
eines Jahres, wie es in Preussen bezüglich der Mitglieder des
Staatsgerichtshofs der Fall war, sondern sie sind auf die Lebens-
dauer angestellt und ihre Amtsthätigkeit ist mit den höchsten
Garantien für die allseitige Wahrung ihrer Unabhängigkeit und
Objektivität umgeben. Das Reichsgericht ist kein Ausnahme-
gericht, sondern ein ordentliches Gericht in eminenter Bedeutung
dieses Wortes und es ist für Jeden, welcher die betreffenden
Verhältnisse auch nur einigermassen kennt, wirklich kaum zu
begreifen, dass man im Reichstage das Reichsgericht in eine
Parallele mit der Stars Chamber brachte, jener Sternkammer,
welche neben der High Court Commission eines der berüchtigtsten
Beispiele für willkürlich gehandhabte Ausnahmegerichtsbarkeit
bietet. Da durch das Gesetz ein für allemal die Abtheilungen
des Reichsgerichts bestimmt sind, denen die Aburtheilung dieser
8) Vgl. Entscheidung des Reichsgerichts vom 2. November 1880, Recht-
sprechung Bd. II, S. 431.
Archiv für öffentliches Recht. II. 1. 8