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könne. Abgesehen von dem Reichsrecht sind es also in erster
Linie die grossen Rechtsgebiete des preussischen Landrechts, des
gemeinen und des französischen Rechts, welche der Revisions-
entscheidung des Reichsgerichts unterworfen sind. Auch in Civil-
sachen entscheidet das Reichsgericht nicht nur als erkennendes,
sondern auch als beschliessendes Gericht. Ihm kompetirt die
Entscheidung in der Beschwerdeinstanz gegen die von den Ober-
landesgerichten erlassenen Beschlüsse.
In wichtiger Weise hat die Zuständigkeit des Reichsgerichts
in Civil- und Strafsachen durch das Reichsgesetz vom 17. März
1886 eine Abänderung erfahren. Inhaltlich der Bestimmungen
des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte der Gesetzgeber nur dafür
Sorge getragen, die Widersprüche, welche sich unter den Ur-
theilen der Straf- und Civilsenate bilden können, zu beseitigen.
Er hatte dies dadurch gethan, dass er in solchen Fällen die
vereinigten Civil- oder Strafsenate zur Abgabe einer Entscheidung
berief. Dagegen hatte das Gesetz keine Bestimmung in sich auf-
genommen, welche es verhüten sollte, dass zwischen den Ent-
scheidungen der Civilsenate einer-, der Strafsenate andererseits
ein Widerspruch entstünde. Die Motive erklärten zwar die Mög-
lichkeit solcher Widersprüche nicht bestreiten zu wollen, be-
merkten aber zugleich, die Fälle, in welchen solche zur Konsta-
tirung gelangten, würden jedenfalls so selten sein, dass ihre
Beseitigung der Wissenschaft besser überlassen bleiben könne.
Indessen hat die bisherige Erfahrung gezeigt, dass diese Voraus-
setzung eine ungerechtfertigte war. In verschiedenen wichtigen
Fällen wurden seitens der Civilsenate Rechtsbegriffe, welche dem
Gebiete des Straf- und Civilrechts gemeinsam sind, durchaus anders
aufgefasst als in den Strafsenaten. Die Civilsenate verstanden den
Begriff der Kausalität wesentlich anders als die Strafsenate; bei der
Anwendung des Reichsgesetzes über die Erhebung von Reichs-
stempelabgaben traten zwischen den Civil- und Strafsenaten des
Reichsgerichts gewichtige Meinungsverschiedenheiten bezüglich
des Urkundenbegriffs, der sog. eigentlichen Handelskorrespondenz
u. dergl. m. hervor. Die verbündeten Regierungen legten dess-
halb dem Reichstage einen Gesetzentwurf vor, welcher die Ver-
hütung solcher Unzukömmlichkeiten bezweckte. Derselbe fand
volle Zustimmung. Laut seines Inhaltes können im Reichsgerichte
sowohl Entscheidungen der vereinigten Civil- oder Strafsenate