Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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wissenschaftliche Bedeutung und ihr praktischer Werth kaum 
geringer. — 
Ausser der oberstrichterlichen Entscheidung in Straf- und 
Civilsachen ist dem Reichsgerichte noch eine Entscheidung zu- 
gewiesen worden, die sonst in den Bereich der obersten Ver- 
waltungsgerichte fällt. Sofern nämlich nach landesgesetzlichen 
Vorschriften die civil- oder strafrechtliche Verfolgung eines Be- 
amten wegen Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der 
Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung nur nach der 
Vorentscheidung einer andern Behörde erfolgen kann, ob ein 
strafbarer Missbrauch der Amtsgewalt — exces de pouvoir — 
oder eine schuldhafte Unterlassung einer gebotenen Amtshand- 
lung vorliege, hat diese Entscheidung durch den obersten Ver- 
waltungsgerichtshof zu geschehen; sofern jedoch in Staaten ein 
solcher nicht bestehen sollte, obliegt dieselbe dem Reichsgericht 
und mit dieser Zuständigkeit ist eine andere nahe verwandt, näm- 
lich die, als Gericht für Kompetenzkonflikte zu fungiren. Durch 
kaiserliche Verordnung kann auf Antrag eines Bundesstaates und 
mit Zustimmung des Bundesrathes das Reichsgericht zum Gerichts- 
hof für Kompetenzkonflikte für das Gebiet des betreffenden Bundes- 
staates bestellt werden. Die Gründe, auf welchen diese Kom- 
petenz beruht, haben mit dem Gedanken der Reichseinheit nichts 
zu thun. Die Tendenz, Entscheidungen in beiden Materien einem 
Gerichtshofe zuzuweisen, welcher mit allen Garantien für objek- 
tive und unabhängige Rechtsfindung ausgestattet ist, hat dazu 
geführt, für die Staaten, welche eines solchen Organs entbehren, 
die Zuständigkeit des Reichsgerichts zu sanktioniren. 
In erheblicher Weise ist dem Grundgedanken, welcher durch 
die Schaffung des Reichsgerichts verkörpert werden sollte, durch 
eine Bestimmung des Einführungsgesetzes Abbruch gethan wor- 
den, wonach zur Entscheidung der Revision in Civilsachen und 
der Beschwerde gegen die Beschlüsse der Oberlandesgerichte ein 
oberstes Landesgericht errichtet werden kann, welches jedoch in 
Ansehung der Rechtssachen, die schon zur Zuständigkeit des 
Reichsoberhandelsgerichts gehörten, oder dem Reichsgerichte durch 
besondere Reichsgesetze zugewiesen werden, unzuständig_ ist. 
Mit der Aufnahme dieser Vorschrift hat der Partikularismus 
einen Sieg über den Unitarismus errungen und alle Versuche, 
welche bei den Berathungen zur Verdeckung dieser Thatsache
	        
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