Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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waltige und es darf auf sie in einer Zeit aufmerksam gemacht 
werden, in der man, wie es scheint, das tiefere Verständniss für 
den nationalen Werth der Rechtsinstitutionen verliert. 
Auch das alte Reichskammergericht hatte einen gewissen Werth 
in nationaler Hinsicht, trotzdem in seiner Besetzung die stän- 
dischen und religiösen Interessen eine so bedeutsame Rolle 
spielten, trotzdem seine Kompetenz, weder in der Extensität 
noch in der Intensität der des Reichsgerichts gleichkam. Das 
heutige Reichsgericht wird nicht mit Rücksicht auf die Religion 
der Richter besetzt und ständischen Einflüssen steht kein Weg 
zu ihm offen. Im Namen des Reichs ernennt der Kaiser die 
judices imperii und kraft der Gerichtsbarkeit, welche dem Reiche 
zusteht, wird von ihnen die Rechtsprechung gehandhabt. Die 
untern Gerichte sind verpflichtet, die Ansichten des Reichsgerichts 
in einer bestimmten Sache anzuwenden und keinerlei salvatorische 
Klausel gibt den Gerichten eines Landes ein Recht, sich in 
Widerspruch mit der Rechtsauffassung zu setzen, welche das 
höchste deutsche Gericht in einem Falle als voluntas legis aner- 
kannt hat. Das Reichsgericht ist das Schlussglied in der 
Kette der deutschen Gerichtsorganisation, es ist ein Gericht für 
das ganze Reichsgebiet und diese nationale Bedeutung 
tritt auch in der Gerichtsbarkeit über den Hoch- und Landes- 
verrath, begangen gegen Kaiser und Reich, besonders deutlich 
hervor. Verbrecherische Antastungen der höchsten Rechts- 
güter des Reiches, verbrecherische Antastungen der nationalen 
Existenz werden von dem Gerichte abgeurtheilt, welches das 
Rechtsbedürfniss der gesammten Nation zu befriedigen 
hat. Das höchste richterliche Organ, welches die deutsche Nation 
kennt, sitzt über die strafbaren Handlungen zu Gericht, welche 
die höchsten Verbrechen sind, die der Strafkodex eines auf seine 
nationale Existenz stolzen Volkes aufweist. So ist das Reichs- 
gericht die nothwendige Ergänzung, welche die Gliederung 
der centralen Organe des deutschen Volkes bedurfte. Der Kaiser, 
der Reichstag, das Reichsgericht, der Reichskanzler, sie 
verkörpern in centralistischer Weise die Thätigkeit des 
Reichs auf den drei Gebieten staatlicher Arbeit, der Gesetz- 
gebung, Rechtsprechung, der Exekutive. 
(Schluss folgt im nächsten Heft.)
	        
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