— 126 —
und Entschädigungen aus Staatsmitteln verboten hat und hat verbieten
wollen, oder ob dieses Verbotsgesetz auf jede Art von pekuniärer Entschä-
digung, also auch auf die aus Parteimitteln und Privatmitteln herrührende
sich bezieht.
Beide Instanzen haben bei ihren entgegengesetzten Entscheidungen
sowohl auf den Wortlaut, Inhalt und Zweck des Artikel 32 als be-
sonders auch auf die parlamentarische Entstehungsgeschichte
desselben sich berufen und hierauf, zum Theil wenigstens, das entscheidende
Gewicht gelegt.
In Bezug auf den Wortlaut des Gesetzes heisst es in dem die Klage
des Fiskus gegen den Reichstagsabgeordneten Kräker zurück weisen-
den Erkenntnisse der III. Civiikammer des Landgerichts in Breslau:
„Bei näherer Betrachtung geben die Worte ‚Besoldung oder Entschä-
digung beziehen‘ zu dem nicht unerheblichen Bedenken Veranlassung,
ob sich dieselben mit dem Sinne: „‚von Privatpersonen schenkungsweise Zu-
wendungen annehmen‘“ decken können. Ganz zweifellos erscheint dabei,
dass das Wort „‚Besoldung‘“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein Abhängig-
keitsverhältniss der Empfangenden gegen den Gewährenden ausdrückt und
nur von einer Vergütung einer Thätigkeit aus öffentlichen Mitteln oder
wenigstens auf Grund eines festen staatsrechtlichen oder verträglichen Ver-
hältnisses, nicht aber von einer weder dem Betrage noch der Zeitdauer nach
dem Empfänger bestimmt zugesicherten Bezugsquelle gebraucht werden
kann. Auch sagt man wohl nicht in ungezwungener Weise: „Jemand be-
zieht eine schenkungsweise gegebene Zuwendung‘“. Es kann aber auch dem
Kläger darin nicht beigestimmt werden, dass, wenn auch das Wort „‚Be-
soldung‘* vielleicht mehr auf eine Zuwendung aus öffentlichen Mitteln deute,
doch gerade das beigefügte Wort „‚Entschädigung‘“ die Zulässigkeit der
Privatunterstützung ausschliese. Weit ungezwungener erscheint die Er-
klärung dieser Worte, wenn dieselbe im Anschluss an den Wortlaut der
dieselbe Materie, wenn auch in entgegengesetzter Entscheidung behandeln-
den Verfassungen der Einzelstaaten hergeleitet wird. Dem Verfasser des
Entwurfs der Reichsverfassung hat zweifellos dabei der Art. 85 der Ver-
fassungsurkunde für den preussischen Staat vorgelegen, welcher lautet: „‚Die
Mitglieder des Hauses der Abgeordneten erhalten aus der Staatskasse Reise-
kosten und Diäten‘“. Dieselben Bezüge sollten den Reichstagsabgeordneten
versagt werden und es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Autor
nicht durch die jetzt gewählten Ausdrücke den Unterschied zwischen der
Beihilfe aus Staatsmitteln und Privataufwendungen, sondern nur wie in jenem
Gesetze das ins Auge fasste, dass den Abgeordneten weder Diäten oder
Tagegelder noch Besoldung oder auch nur ein Ersatz der baaren Aufwen-
dungen und der Reisekosten, d. i. Entschädigung verabreicht werden
sollte und dass er dabei in beiden Gesetzen dieselbe und alleinige, nämlich
die Staatskasse im Sinne hatte.“
Ganz ähnlich äussert sich das den Fiskus abweisende Erkenntniss des
Landgerichts in Halberstadt, sowie des Landgerichts in Neuruppin.
In dem schon erwähnten Urtheile des Landgerichts in Halle a. d. Saale
gegen HasencLever wird in Bezug auf diesen Punkt noch Folgendes ausge-