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hoheit, Besteuerungsrecht, Kirchenwesen, der deutschen kolonialen
Entwicklung bisher noch fremd geblieben sind, so liegt dies in
dem geringen Alter der deutschen überseeischen Besitzungen be-
gründet. Dass derartige Fragen früher oder später auftauchen
werden, haben z. B. die Verhandlungen über die katholische Mis-
sionsthätigkeit in Kamerun gezeigt. So lange sich jedoch in ein-
zelnen Beziehungen eine Verwaltungspraxis nicht gebildet hat,
kann das Staatsrecht nur die obersten Grundsätze klarstellen,
ohne auf Einzelfragen einzugehen. Dass bei der Behandlung des
deutschen Kolonialstaatsrechts das englische Recht mannigfach ın
Betracht gezogen wird, ist schon dadurch geboten, dass bei
Regelung zahlreicher kolonialer Verhältnisse das englische Vor-
bild von bestimmendem Einflusse gewesen ist. Thatsächlich
schliesst sich auch das deutsche Kolonialstaatsrecht am engsten
an das englische an, während die übrigen, namentlich das fran-
zösische Recht, auf die deutsche Entwicklung ohne jeden Einfluss
geblieben sind. Es wird hier zunächst die rechtliche Stellung der
Schutzgebiete im allgemeinen, d. h. vom völkerrechtlichen und
staatsrechtlichen Gesichtspunkte, demnächst ihr Verwaltungsrecht,
soweit es bis jetzt feststeht, zur Erörterung gelangen.
Für die Erwerbung der Kolonie ist allein das Völkerrecht
entscheidend. Dieses bestimmt, unter welchen Voraussetzungen
ein Gebiet derart als Besitz einer Macht gilt, dass dieser Besitz
auch von anderen Mächten anerkannt werden muss. Als Erwerbs-
arten sind gegenwärtig völkerrechtlich drei allgemein in Geltung:
Eroberung, Abtretung durch Vertrag und Besitzergreifung. Ob-
gleich die jetzigen deutschen Schutzgebiete sämmtlich durch Be-
sitzergreifung erworben sind, so haben doch auch die beiden ersten
Erwerbsarten für uns Bedeutung.
Eroberung und Abtretung finden nur statt gegenüber einem
Staate, der Subjekt des Völkerrechts ist. Die nach dem älteren
Völkerrechte geltende Regel, dass nur christliche Staaten Subjekte
des Völkerrechts sein können, ist jetzt aufgegeben. Einerseits
sind zahlreiche muhamedanische und hinterasiatische Staaten gegen-
wärtig als Subjekte des Völkerrechts anerkannt, andererseits ver-
schiedene, bereits christliche Stämme besonders in Südafrika und
der Südsee davon ausgeschlossen. Es ist daher immer im ein-
zelnen Falle zu entscheiden, ob ein Staatswesen in die europäische
Völkerfamilie im weitesten Sinne aufgenommen ist oder nicht.